Christian Pabst – Rhythm Riot

C
jazzsick records
„Das im Kölner Loft aufgenommene Album versprüht eine kraftvolle kinetische Energie, die durch das telepathische Zusammenspiel und die einzigartige melodiöse Klangsprache dieses europäischen Klaviertrios der Extraklasse getragen wird.“ So lesen wir es im Pressetext zum aktuellen Album. Es ist das sechste Album von Christian Pabst, in dessen Trio der Bassist André Nedza und der Drummer Erik Kooger seine Begleiter sind. Und weiter im Pressetext ist zu lesen „Während der Entstehung des Albums hat Pabst sich immer wieder mit der Frage konfrontiert, was Musik in einer Welt, die ständig in Flammen steht und voller Konflikte ist, bedeuten kann. Ein Ausspruch Leonard Bernsteins hat ihn dabei begleitet und inspiriert: “This will be our reply to violence: to make music more intensely, more beautifully, more devotedly than ever before”.“
Back to the roots – das ist das Credo von Christian Pabst. Das Album muss als eine Besinnung auf das klassiche Klaviertrio im Jazz angesehen werden, und das ab dem ersten Takt von „24-7“. Pabst knüpft stilistisch nicht nur im Eröffnungsstück an die Jazzkompositionen für ein Klaviertrio an, die wir von Oscar Peterson, Erroll Garner und anderen Granden des Jazz der vergangenen Jahrzehnte her kennen. Da mag auch der Einwand aufkommen, dass das Kölner Konzert von Keith Jarrett ein Meilenstein in der Geschichte des Jazz darstelle. Nun ja, aber abgesehen von diesem legendären Konzert gibt es ja unzählige Klavierkompositionen, die vor allem als Standards im Gedächtnis bleiben. Beim Hören des Eröffnungsstücks meint man gar, hier und da Thelonious Monk heraushören zu können. Der Duktus, den Pabst pflegt, ist energiegeladen, dabei unterstützt vom Drummer des Trips. Was wir hören, können wir mit dem Klang von Brandungswellen vergleichen, die an die Pier und die Kaimauer von Hafenstädten schlagen. Zugleich evoziert Pabst das Bild von den Lichtern der Großstadt und dem umtriebigen Nachtleben mit all den Nachtschwärmern. Wenn Pabst ins eher Lyrische abgleitet, dann nie um ein wässriges Klangaquarell abzuliefern. Struktur, Struktur und nochmals Struktur – das strahlt der Vortrag aus. Dabei scheint der Pianist stilistisch durchaus in der Geschichte des Jazz auf Schatzsuche zu gehen und melodische Juwelen ans Licht zu befördern. Gewissermaßen nimmt uns das Trio mit „24-7“ in eine umtriebige Jazzszene mit, wie wir sie unter anderem aus dem Film „Round Midnight“ her kennen.
Feurige Rhythmik empfängt uns dank des Schlagzeugers zu Beginn von „Encore“. Danach dringen kaskadierende Klangbilder an unsere Ohren. Zugleich entwickelt sich beim Zuhören ein Bild von unaufhaltsamen Strömungen. Das ist dem Pianisten zu verdanken, der sich auch im Diskant zuhause fühlt. Wer schon mal eine selbstgebaute Murmelbahn gesehen hat, auf der die Murmeln rasant nach unten schießen, der hat ein adäquates Bild von den „Klangelementen“ im Kopf, die auf den schwarzen und weißen Tasten des Klaviers entstehen. Wellenschläge meint man in „Enigma“ auszumachen. Da gibt es aber auch perlende Ströme zu hören, meint man, gläserne Dominosteine fallen zu erleben. Und unter alle den Piano-Sequenzen liegt ein steter Blechrausch und Rhythmus. In Untiefen entführen uns der Bassist und der Pianist im weiteren Verlauf des Stücks. Mit zunehmender Dauer des Stück ergeben sich klangliche Strudel, gar ein Malstrom, der sich wieder auflöst.
Hat „Incoming Signal“ stilistisch nicht etwas von Erroll Garner? Ansonsten besticht das Stück durch durchtriebene Dynamik. Und der Schlagzeuger entlädt im Verlauf des Stücks seine Rhythmuswolken über den Zuhörern. Verrät eine Komposition wie „Mount Rakan“ die Vorliebe des Trios für Japan? Handelt es sich bei Mount Rakan gar um einen Teil der Chūgoku Mountains? Man muss es unterstellen. Nun werden wir nicht etwa mit fernöstlichen Harmonien konfrontiert, sondern mit einem fein aufgefächerten Triovortrag, bei dem der Bassist sich auch das Wort nimmt und gleichsam „Bambuspflanzungen des Klangs“ realisiert. Derweil erscheint das Spiel von Chrisian Pabst überschwänglich, gar wie gemacht für einen (Landschafts)film. Mit „Sky“ endet ein Album, das uns die Wurzeln des Klavierjazz erleben lässt, ohne Effekte, Distortions, Delays und anderen elektronischen Errungenschaften. Nein, handgemachter Jazz ist zu hören – welch ein Ohrenschmaus.
© fdp2025