Christian Pabst – Balbec

Christian Pabst – Balbec

C

Jazzsick Records

Was nunmehr vorliegt, ist ein Trio-Album des in Norditalien heimisch gewordenen, aus Deutschland stammenden Pianisten Christian Pabst. Ihm zur Seite stehen bei den Aufnahmen des aktuellen Albums der Bassist André Nendza, der sowohl mit dem Kontrabass als auch mit dem E-Bass zu hören ist, und der Schlagzeuger Erik Kooger. Mit „Revelation“ eröffnet das Trio die musikalische Reise, spielt dann die Kompositionen „Snake“, „Balbec“ und „Snow“, bringt uns zudem ein wenig „Storm“ nahe und setzt zum Schluss zum Flug an, wenn „Flight“ erklingt. Und da ist man schon versucht zu rätseln, wohin denn dieser Flug geht, oder? Und noch etwas ist mit einem Fragezeichen zu versehen, der Titel des Albums. Bezieht sich Christian Pabst dabei auf einen Roman von Marcel Proust, der in seinem Romanwerk einen Badeort namens Balbec einführt? Betrachtet man das Album-Cover mit einer Achterbahn und einer künstlichen „Dünenlandschaft“, mag man diese Auffassung bejahen, oder?

Das Rauschen des Windes oder Meeres sowie raschelndes Laub unter den Füßen eines Spaziergängers -  das sind mögliche Assoziationen, die zu Beginn mit „Revelation“ verknüpft werden können. Dabei machen bei diesem „Hörspiel“ der Schlagzeuger und der Bassist den Anfang, ehe Christian Pabst seine Finger über die Tasten des Klaviers setzt. Er vermittelt im weiteren etwas von Heiterkeit. Setzt man die erlebten Klangfarben in die einer Farbpalette um, dann muss man gewiss die gefühlten Farben der deutschen Expressionisten nennen. Der Pianist setzt rinnende Umlenkungen an rinnende Umlenkung. Hindernisse werden in diesem Fall leicht umschifft. Kurz getaktet erscheint das Spiel des Schlagzeugers. In sich ruhend zeigt sich der Bassist, der für den gewissen „Gleichklang“ steht. Derweil ergeht sich der Pianist in Passagen, die einem Wasserschwall gleichen, der ein Wehr durchströmt.

Sehr ruhig und nur von wenigen Trommelschlägen begleitet beginnt „Snake“. Im weiteren, so der Höreindruck, versucht Christian Pabst, die flinke Bewegung des Reptils einzufangen. Zwischen Bass und Diskant changiert er dabei, so als wäre der Bass gleichbedeutend mit dem Lauern auf Beute und der Diskant das blitzschnelle Greifen der Beute mit den giftigen Fängen. Kristalline Klangpassagen dringen im Fortgang der Komposition ans Ohr des Zuhörers. Bisweilen hören wir perlendes und kaskadierendes Spiel, das wenig an die schlängelnden Bewegungen einer Otter oder Viper erinnert. Na ja, vielleicht hatte Christian Pabst eine Boa constrictor vor Augen, die doch eher gemächlich auf Beutezug geht und nicht den kurzen Moment des Zuschlagens sucht, sondern die Beute langsam umschlingt. Und dazu passen dann die Sequenzen, die teilweise in langen Wellen verlaufen. Nachfolgend hören wir den Titelsong namens „Balbec“, durchaus mit einem gewissen Swing daherkommend. Von den Harmonien meint man, man lausche einem bekannten Standard, dessen Titel man gerade nicht präsent hat. In diesem Stück zeigt André Nendza seine Fähigkeit, den Bass tänzelnd zu präsentieren und ihm Swing einzuhauchen, derweil der Schlagzeuger ein angetipptes Tick-Tick-Tick beisteuert. Ab und an meint man, im Geiste Oscar Peterson mitspielen zu hören, folgt man den Tastensetzungen des Pianisten. Gute Laune bekommt man beim Zuhören auf jeden Fall. Die Klangbotschaft lautet: Nimm das Leben nicht so schwer! Bobby McFerrin hat dafür die Formel: „Don't worry be happy“ gefunden. Im weiteren werden wir in die Winterzeit versetzt, wenn „Snow“ erklingt und der Bassist seinen Kontrabass durch einen E-Bass ersetzt. Eisige Klangkristalle lässt der Pianist auf den Hörer niederrieseln, jedenfalls zu Beginn. Auch dicke Flocken scheint Christian Pabst zu verstreuen. Und dann, ja dann hört man ein Rhodes mit Wiederholungsschleifen, das Christian Pabst in sein Winterstück einbringt. Die Winterruhe fängt der Pianist nachfolgend sehr nachvollziehbar durch ein eher getragen zu bezeichnendes Spiel ein. Dabei geizt er nicht damit, das Bild von niedergehenden Flocken und klirrenden Eiszapfen zu evozieren.

Kein Schlagwerkfurioso und auch kein wild schnarrender Bass sind zu Beginn von „Storm“ zu hören. Stattdessen erfreuen wir uns am lyrischen Spiel des Pianisten, der wohl eher die Ruhe vor dem Sturm einfängt. Gleiches gilt für den Bassisten und das unaufgeregte Schlagzeugspiel im weiteren Gang der Dinge. Vielleicht sind wir bei dem Titel auch einer falschen Fährte und das Trio verneigt sich hier von dem Schöpfer des Schimmelreiters, Theodor Storm. Aber auch das ist wilde Spekulation des Rezensenten. Verhalten stürmisch jedenfalls geht es hier und da erst gegen Ende des Stücks zu. Doch das, was danach folgt, ist als die Nachwehen und das sachte Abklingen des Unwetters zu begreifen. Schwere Regentropfen scheinen niederzugehen, so suggeriert es jedenfalls das teilweise dumpfe Tastenspiel des Pianisten. Zum Schluss heißt es dann „Flight“ und damit ist dann auch die Klangreise am Ende angelangt.

© ferdinand dupuis-panther

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www.jazzsick.com
http://www.christianpabst.com
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/c/christian-pabst-trio-inner-voice/


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