Chloe Levy: Dust
C
Unit Rec. , UTR 4542
Der Ort für die vorliegenden Aufnahmen war nicht ein Studio, sondern die Kirche Sant Marti Vell in Katalonien. Levy tritt ohne Band auf. Sie begleitet sich bei ihrem solistischen Gesang auf der Kalimba, einem sogenannten Lamellophon, das in der westafrikanischen Musik seinen Platz hat.
Chloe Levy hat Jazz, klassischen Gesang und Musikwissenschaften in Lausanne und Genf studiert und einen Master Advanced Studies in vocal interpretation of contemporary music an der HEM Lugano erworben. Das vorliegende Album ist ihr zweites bei Unit Records herausgegebenes Album. „Staub“ lautet die Übersetzung des Albumtitels. Dabei sind eigene Kompositionen ebenso zu hören wie auch arrangierte Jazzstandards, darunter „I fall in love too easily“. Anzumerken ist, dass auch der berühmte Jazztrompeter Chet Baker sich dieses Titels einst angenommen hatte. Die Latte liegt also ziemlich hoch, oder?
Das Album wird mit „Dust“ eröffnet und mit „Tree“ beschlossen. Die Stimme von Levy erscheint beinahe zerbrechlich. Ihr Gesang changiert zwischen gehauchtem Sprechgesang und voller Sopranstimme. Dezent und im Hintergrund ist das Lamellophon zu hören. Auch lautmalerische Passagen sind bei „Dust“ zu vernehmen. Hier und da fühlt man sich beim Zuhören an den traditionellen Gesang der Sami erinnert, ohne allerdings Obertonsingen wahrzunehmen. Die besondere Akustik des Kirchenraums ist gewiss ein wesentliches Element, das zur Brillanz des Vortrags beiträgt. Ein wenig redundant mutet die Begleitung an, derweil die Stimmgewalt von Chloe Levy den Sakralraum füllt. Vom Genre her muss man „Dust“ wohl als „Singer/Songwriter“ bezeichnen.
Bereits der erste Titel ist hinsichtlich der Instrumentierung als minimalistisch zu bezeichnen. Das setzt sich auch bei „I fall in love too easily“ fort: Die Komposition stammt von Jule Styne, die Verszeilen sind Sammy Cahn zuzuschreiben. In der Art, wie Levy diesen Standard vorträgt, ist die Charakterisierung des Storytelling wohl angebracht. Doch auf der anderen Seite muss man angesichts des Vortrags auch herausstellen, dass Levy dem schmalzigen Vortrag einer Dionne Warwick eine klare Absage erteilt: „I fall in love too easily / I fall in love too fast / I fall in love too terribly hard / For love to ever last ...“ Nichts von Broadway ist dem Song anzumerken, wenn Levy singt.
An keltisch-irischen Gesang erinnert mich Levys Vortrag von „My favorite things“. Leider lag dem Berichterstatter die Lyrik des Songs nicht vor. Doch kommt es bei Gesang nicht auch stets auf die Lyrik und den Inhalt der Verszeilen an?
Es ist nicht meine Absicht, Chloe Levy zu nahetreten zu wollen, aber irgendwie sprang auch bei „Jolene“ und bei „Tree“ der Funke nicht wirklich auf mich über. Ich vermisste eine ausgefeilte Instrumentierung – sei es auch aus dem elektronischen Zauberkasten.
Man muss unbedingt puren Sologesang mögen, um die vorliegenden Aufnahmen zu schätzen. Zudem hatte ich hier und da den Eindruck, Marie Boine hätte im übertragenen Sinne bei der einen oder anderen Interpretation ihre Finger mit ihm Spiel gehabt. Zu nahe scheint mir streckenweise der Gesang Levys an dem der norwegischen Sängerin. Ob man mit einem gewissen kritischen Blick, den Vortrag Levys als Jazz einstuft oder nicht, ist im Übrigen eine Frage des Standpunktes. Das soll – darauf will ich abschließend hinweisen – kein Abqualifizieren der sängerischen Qualitäten Levys bedeuten, aber ...
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Unit Records
http://www.unitrecords.com