Cecilia Sanchietti - La Terza Via
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BlueJazz
Um es mal gleich vorwegzuschicken: Cecilia Sanchietti ist keine Vokalistin wie so viele Absolventinnen von Hochschulen der Musik, sondern Schlagzeugerin. In der Welt des Jazz ist dies gewiss eine Seltenheit. Mir selbst fallen momentan spontan nur noch zwei weitere Schlagzeugerinnen ein, die sich im Jazz behauptet haben: die in Leipzig lebende Eva Klesse und die in Dänemark heimisch gewordene Marilyn Mazur! Es mag gewiss noch weitere geben, aber Exotinnen sind sie in der Männerwelt des Jazz gewiss.
Nun hat die italienische Schlagzeugerin mit „La Terza Via“ ihr zweites Album vorgelegt, an dem auch der belgische Tenorsaxofonist Nicolas Kummert (u.a. Drifter …) mitgewirkt hat. Von den aufgenommenen zehn Kompositionen stammen sieben aus der Feder Sanchiettis. Maria Schneiders „Hang Gliding“ gehört neben einer Komposition von Keith Jarrett und vom Pianisten des Trios, Pierpaolo Principato, zu den drei Stücken Dritter, die gleichfalls Platz auf dem aktuellen Album fanden. Warum es „Dritter Weg“ heißt, müsste man die Bandleaderin schon selbst befragen.
Neben Kummert gehören zur Band der Schlagzeugerin der Bassist Marco Siniscalco und der Pianist Pierpaolo Principato. Zu den wohl unter Umständen am nachhaltigsten im Gedächtnis bleibenden Stücken des Album zählt "Not (in) my name", wohl ein Anti-Kriegs-Song, mit an Märsche erinnerndem Schlagwerk unterlegt und mit fließenden Saxfonlinien von Nicholas Kummert versehen. Zu hören sind des weiteren „Which way“, „Circus“, „Shouting to a brick wall“, „Sweet & bitter“, „Run baby run“, „Emerging lands“, „Hang gliding“, „La terza via“ und zum Ende „Innocence“.
Mit lyrischem Impetus eröffnet „Which Way“. Man hört beim Tastenklang einen sanften Wind wehen, kann auch das Rauschen und Rascheln von Blättern vernehmen. Schritte, so ein weiteres Bild, huschen über das Pflaster. Im weiteren Verlauf steigert sich die Dynamik des Stücks, ohne das Lyrische jedoch aufzugeben. Die Melodielinie fließt dahin, scheint wie geschmolzenes Eis, das sich zu einem kleinen Rinnsal entfaltet. Doch die Frage nach dem Weg, den es zu nehmen gilt, bleibt. Links oder rechts – das ist wohl die Frage.
Wo sind die Akrobaten?
Bei „Circus“ würde man vielleicht einen Tusch erwarten. Statt dessen jedoch hören wir einen „gequetschten“ Saxofonlauf, ein nervöses Gebläse, ein erregtes Auf und Ab, ein Geschnatter, ein „angerostetes Geflirre“, ehe Pierpaolo Principato ins Geschehen eingreift und auch Nicholas Kummert schließlich in einen sanften Duktus hinübergleitet. Doch dramatisches Tutti, wie man es bei Zirkusorchestern erlebt, fehlt. Man vernimmt hingegen kaskadierende Tastenfolgen im Wechsel mit weicheren Saxofonsequenzen, die durchaus an die Tradition von Modern Jazz anknüpfen. Erst gegen Ende des Stücks kann man sich mit viel Fantasie Pferdedressuren und Hochseilakrobaten in der Manege vorstellen.
Bereits oben ist der Song „Not (in) my name“ angesprochen worden. Dabei ist die Dramatik eher als verhalten zu bezeichnen. Überwiegend nehmen wir weich gezeichnete Konturen war, scheinen Pastellfarben und nicht Neonfarben mit im Spiel zu sein. Wie in anderen Kompositionen Sanchiettis auch dominiert sanfte Lyrik. Selbst Nicholas Kummert hat sich mit seinem Tenorsaxofon angepasst und die leisen Register gezogen.
Der dritte Weg
„Emerging Lands“ stammt nicht von Sanchietti, sondern vom Pianisten des Trios, der mit einem nur leicht angehaucht-energetischen Duktus die Klangfärbung des Stücks bestimmt. Unaufdringlich, aber durchaus wahrnehmbar agiert Sanchietti an ihrem Schlagwerk. Die Oberhand über das klangliche Geschehen gewinnt dann für Momente Nicholas Kummert. Das Saxofon ist dabei aufdringlich, wird jedoch vom dahin rinnenden Klavierspiel abgelöst. Auf eine Art Zwiegespräch scheinen sich der italienische Pianist und der belgische Tenorsaxofonist einzulassen. Dabei vernimmt man Klänge im Sopran. Gegen Ende tritt dann auch der Bassist mit einem Solo hervor. Selten genug nimmt dieser auf dem Album eine prominente Stellung ein.
Abgerundet wird das Album durch eine Komposition von Keith Jarrett. Zuvor hören wir jedoch die „Titelmelodie“ des Albums: „La terza via“, eingeführt mit einem sehr tiefen Bass-Solo verbunden mit einer sehr leichten Funk-Würze. Thematisch nimmt der Pianist die „Vorgaben“ des Bassisten auf und paraphrasiert sie lyrisch-verspielt. Die klanglichen Aquarellfarben verlaufen ineinander, vor allem wenn der Pianist die weißen und schwarzen Tasten berührt. Hier und da geht es im Stück zum Thema zurück, das durchaus als Ausgangspunkt für einen Soul- oder Motown-Titel hätte dienen können, nun aber in lyrisch-narrativen Jazz eingebunden ist.
Text: © ferdinand dupuis-panther / Der Text ist nicht public commons / The review is not public commons
Informationen
http://www.ceciliasanchietti.it
http://www.ceciliasanchietti.it/videos/la-terza-via-cecilia-sanchietti-casa-del-jazz/