Carsten Lindholm: Ballads
C
self production
Der dänische Schlagzeuger und Komponist Carsten Lindholm stammt aus Kerteminde einer kleinen Gemeinde auf der Insel Fünen. 1990 zog er nach Kopenhagen, um am dortigen Konservatorium zu studieren. Obendrein nahm er Unterricht bei Jazzlegenden wie Ed Thigpen und dem New Orleans Drummer Jeff Boudreaux. Jahre später besuchte er das Sommercamp in Vallekilde, wo er den finnischen Drummer Jukkis Uotila, den schwedischen Bassisten Lars Danielsson und den norwegischen Trompeter Nils Petter Molvaer traf, die ihn nachhaltig beeinflusst haben. So stand dann hinfort nicht mehr Fusion für ihn im Vordergrund, sondern Nordic Jazz. Bei einem mehrmonatigen Aufenthalt in New York befasste sich Lindholm zudem mit dem südindischen Konakol, einer Art rhythmischem Sprechgesang, bekannt durch Charly Mariano und das Karnataka College of Percussion. Die Begegnung mit dem Vibrafonisten Mike Mainieri betrachtet Lindholm bis heute als einen Meilenstein im Hinblick auf die musikalische Ausdrucksform.
Für das aktuelle Album wurden fünf Titel eingestellt, beginnend bei „Cha“ und „MrX“ über „Henderson“ sowie „Spaces“ bis hin zu „Angel Dust“. Lindholm griff dabei auf eine Vielzahl von Musikern zurück, so auf den Trompeter Rene Damsbak, den Trompeter Arne Horth, die Bassisten Kristor Broedsgaard und Thorkil Christensen sowie Klavs Hovmann, den Pianisten Mark Lorenzen, der auch am Rhodes und Harmonium zu hören ist, wenn „Cha“, „Mr. X“ und „Henderson“ zu hören sind. Überraschend ist die große Auswahl an Mitspielern schon, die nur für ein oder zwei Stücke zum Einsatz kamen.
Satter Bassklang von einer Bassgitarre eröffnet den Song „Cha“ ehe dann Rene Damsbak auf seiner Trompete die Weiten Skandinaviens einfängt, vom Hardangervidda bis zum Oslofjord. Ja, da ist er, der sogenannte Fjord-Sound, der ja vor allem mit Jan Gabarek in Verbindung gebracht wird. Doch auch die Musiker rund um Carsten Lindholm beherrschen dieses Klangschema. Wer schon mal auf den Hochfjells Skandinaviens unterwegs war, der wird vom sanften Klang der Trompete musikalisch dorthin mitgenommen, egal ob der Song nun „Cha“ heißt und nicht „Fjord Walker“. Mit dem nächsten Stück, „Mr. X“ genannt, scheinen wir in die engen Fjordtäler wie das des Geirangerfjords abzutauchen, derweil große Kreuzfahrtschiffe auf dem Fjord ihre Nebelhörner erklingen lassen. Doch das macht nur den Anfang des Klangbilds aus. Alsbald ändert sich der Charakter der Komposition. Diesmal ist es der Trompeter Arne Horth, der uns auf eine Exkursion in die Bergwelt Norwegens mitnimmt. Durch Carsten Lindholm werden zusätzlich die Klänge eines Keyboards als besondere musikalische Würze eingebracht. Dabei erinnert die Hörfarbe eher an die eines Akkordeons oder einer Melodica. Durch diese Komponente wird der allgewaltige Fjord-Sound ein wenig gebrochen. „Spaces“, also „Räume“ sind klanglich wirklich zu erleben. Klangschwaden scheinen irgendwo im Nichts zu verschwinden. Hört man Rene Damsbak zu, dann glaubt man, er spiele in einem riesigen Felsendom. Sehr stark ist in diesem Stück auch die Präsenz des Bassisten Kristor Broedsgaard, der sich in gewisser Weise auf dumpf wiederkehrende Bassfolgen beschränkt. Über diese erhebt sich der Schleier der Trompetensequenzen. Zum Schluss heißt es „Angel Dust“: Handelt es sich dabei etwa um das Halluzinogen PCP, das einst als Anästhetikum entwickelt wurde? Unterschiede zu den übrigen Kompositionen und Arrangements sind jedoch nicht auszumachen, wenn auch zu Beginn ein Schwall von Sphärischem zu vernehmen ist. Psychodelische Klänge sind nicht zu vernehmen, auch wenn man das bei meiner Interpretation des Titels hätte erwarten können. Im Gegenteil, auch in diesem Stück ist der getragene Fjord-Sound überaus dominant.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Carsten Lindholm
https://www.facebook.com/carsten.lindholm1
http://carstenlindholm.dk/