Carin Lundin - A Heart Full of Rhythm – Live

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Prophone
Die in Väjxö geborene schwedische Vokalistin studierte am Royal College of Music in Stockholm; zwischen 1989 und 1993. 1990 erhielt sie ein Reisestipendium um in den Niederlanden Unterricht bei der Jazzsängerin Deborah Brown zu nehmen. Die Veröffentlichung des Debütalbums „From Dusk to Dawn“ (PCD032) erfolgte auf Prophone Records im März 1997. Mitwirkende Musiker waren Magnus Lindgren, Martin Östergren (auch Arrangeur), Johan Löfcrantz-Ramsay, und andere.
Produziert und aufgenommen von Roger Krieg. Lundin erhielt das „Kulturstipendium des Landkreises Kronoberg Kronobergs“ im Jahr 2000 und außerdem das „Arbeitsstipendium für Autoren“ des Schwedischen Kunstförderungsausschusses im Jahr 2001. Verleihung des „Anita O'Day-Preises“ der Jazz Museum Foundation Preis“ an Lundin fand im Jahr 2007 mit folgender Begründung statt: „Carin Lundin … bewahrt gekonnt das musikalische Erbe des Jazz von großen Vokalisten wie Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan und natürlich Anita O'Day …“: Das sind kurz und knapp einige Daten aus der Vita der schwedischen Vokalistin, die uns mit dem aktuellen Album in die Welt der Jazz-Standards einführt. Unter den neun Aufnahmen sind auch zwei Instrumentals, „Softly as in the Morning Sunrise“ und das Schlussstück „Time After Time“. Diesen Song haben Frank Sinatra, Ella Firtzgerald und auch Shirley Bassey eingespielt. Am 19. November 1946 wurde der Song erstmals von Sarah Vaughan mit dem Teddy Wilson Quartet aufgenommen: Wilson am Klavier, Charlie Ventura am Tenorsaxophon, Remo Palmieri an der Gitarre und Billy Taylor am Kontrabass.
Wer sich ein derartiges Repertoire aussucht, der muss sich auch den Vergleich gefallen lassen, angesichts der hochkarätigen Sängerinnen, die aufgelistet sind. Und das gilt auch für den Vergleich mit Anita O’Day. Sehr häufig stellen afro-amerikanische Jazzsängerinnen „weiße“ Sängerinnen in den Schatten. Doch muss es eigentlich stets um den Vergleich gehen?
Folgen wir den musikalischen Spuren der schwedischen Vokalistin, die mit dem Armstrong-Song „I’ve got a Heart full of Rhythm“ das aktuelle Album eröffnet. Gemessen am Timbre der Sängerinnen Ella Fitzgerald, Sarah Vaughn und Nina Simone ist der Vokalvortrag von Lundin, gewiss kein Meilenstein und auch keine Frischzellenkur in der Geschichte des Jazz. Lundin agiert handwerklich solide, aber ohne dass der Vortrag wirklich aufhorchen lässt. Mit viel Swing agieren sowohl der Saxofonist als auch der Pianist in ihren Solosequenzen. Das reißt schon mit, vor allem diejenigen, die auf Jazz-Standards stehen. Da blitzt hier und da ein Verweis auf Ragtime auf, sieht man Swing-Tänzer mit gekonnten Schritten über das Parkett huschen. Die zweite Gesangseinlage hingegen scheint gelungener als die erste, lässt doch Lundin durchaus ihr Können aufblitzen. Anschließend singt uns Lundin eine Ballade namens „Am I Blue“. Es ist Musik, die weit nach Mitternacht die letzten unermüdlichen Tanzpaare auf die Tanzfläche lockt. Ob Lundin an Billy Holiday heranreicht, mag der Hörer selbst entscheiden. Auf alle Fälle unternehmen wir mit dem Song eine Reise in die Jazzgeschichte, entstand der Titel doch 1929 (!). Ein Hinhörer ist in dem instrumentalen Teil der mit Bogen gestrichene Bass-Part, in aller Schwere und gewissermaßen auch Schwermütigkeit.
Dass sich die Musiker um Carin Lundin auf Blues und auch auf Soul verstehen, verraten die Sängerin und das Instrumental-Ensemble in „Never Make Your Moove Too Soon“. Da setzt der Pianist den Rhythmus und dazu hören wir den umtriebigen Saxofonisten, der uns den Blues nahebringt. Bereits bei diesem Stück wird klar, wo denn auch Rock’n Roll und nachfolgende Musikstile ihren Ursprung haben. Und zudem lässt sich aus dem Stück auch ein wenig Boogie destillieren, wenn Mathias Algotsson in die Tasten haut. Und schließlich hat der Bassist auch etwas zum Blues zu sagen, nicht nur Saiten zupfend, sondern auch stimmlich.
Mit „Softly As In The Morning Sunrise“ bewegen wir uns gleichfalls in den 1920er Jahren und folgen im weitesten Sinne dem Swing als Subgenre des Jazz. Lyrisch aufgefächert agiert der Saxofonist in diesem Stück, der neben dem Pianisten die Stimmfärbungen bestimmt. Was wir hören ist, ein Teil einer Operette namens „The New Moon“, mit teilweise Bach‘scher Einlage durch den Pianisten und im Gegensatz zur Frische der Melodielinien ein Song über die bittere Liebe. Dass man im Hohen Norden auch etwas von Samba versteht, unterstreicht „Längtans Samba“. In diesem Song vereinen sich lateinamerikanische Rhythmen mit schwedischer Lyrik. In diesem Stück erweist sich der Saxofonist als ebenso versierter Flötist, deren Klang dem Stück Leichtigkeit einhaucht. „Love For Sale“ fehlt auf dem Album mit Standards nicht. Bekannt gemacht hat diesen Song Cole Porter. Das Lied ist aus der Perspektive einer Prostituierten geschrieben, die verschiedene Arten von käuflicher Liebe anbietet (“old love, new love, every love but true love”). Das Lied war 1930 ein Hit, wurde aber später als zu lüstern empfunden und für Jahrzehnte von den Radiosendern gemieden. Stimmlich fällt die Interpretation Lundins gegen Porter deutlich ab. Den Ausklang des Albums bildet „Time After Time“, zugleich ein weiteres Instrumental, das die Stärke des Jazzensembles unterstreicht, insbesondere des Pianisten und des Saxofonisten.
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Info
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Musicians
Gardiner, Ronnie - drums
Lundin, Carin - vocals
Algotsson, Mathias - piano
Larsson, Hasse - tenorsax/flute
Toresson, Klas – double bass
Tracks
1 I've Got A Heart Full Of Rhythm
2 Am I Blue
3 Lover, Come Back To Me
4 Never Make Your Move Too Soon
5 Softly, As In A Morning
Sunrise (Instrumental)
6 Längtans Samba
7 After You've Gone
8 Love For Sale
9 Time After Time (Instrumental)