camatta / reisige duo: MOOS

camatta / reisige duo: MOOS

C

HolzRecords

16 Tracks improvisierter Musik haben Tobias Reisige (Blockflöten und Elektronik) und Simon Camatta (Drums und Tingeltangel) eingespielt. Titel für die Tracks gibt es nicht. Stattdessen findet man die Nummerierungen von 1 bis 16 auf dem Plattencover. Die Blockflöte als Instrument in der Improvisation ist eher ein Außenseiterinstrument, denn man verortet sie ja generell in den Bereich der klassischen Musik.

Dass aber ein Holzbläser jenseits der Saxofone und Klarinetten durchaus aber eine besondere Klangfarbe der Farbpalette improvisierter Musik hinzufügen kann, zeigt das vorliegende Album.
Nein, schräge Töne entlockt Tobias Reisige seiner Flöte nicht. Im ersten Track klingt sie eher wie eine Klagende, die einsam auf einer Felsklippe ausharrt. Im Hintergrund agiert Simon Camatta am Schlagwerk, sehr zurückgenommen und kaum hörbar. Nur hier und da eine Art Rascheln, derweil die Flöte wimmert und sich in „tänzelnden Bewegungen“ wiegt. Mal klingt das Blasrohr ein wenig tief gestimmt, doch überwiegend hört man hohe und teilweise schnarrend-spitze Töne, derweil die Sticks verzögert auf die Felle treffen. Bisweilen verebben die Töne der Flöte im Off, um dann anschließend nachhaltig zurückzukehren. Dazu nimmt Camatta am Schlagwerk ein wenig Fahrt auf. Es ist ein steter Schwall, der an unseren Gehörgang stößt. Durchaus Melodisches ist zu vernehmen, ohne gleich mit dem Begriff des Fernöstlichen zu operieren. Hier und da scheint man allerdings auf einem Kurztrip nach Asien entführt zu werden. Tickticktöck, Quietsch, Qietsch, Tuchtuch, Ptätä, Ptäptä – das vernehmen wir am Beginn des zweiten Tracks. Begleitet wird dies von einem hohen Ton des Messings, den Camatta dadurch provoziert, dass er mit dem Stick auf den Becken schabt. Ein kurzes Rufen ist der Flöte vorbehalten, das sich noch steigert. Man stelle sich vor, ein Flötist umgarne eine Mamba, die sich aufrichtet und wieder zusammenrollt. Es ist ein Auf und ein Ab, das uns Reisige zu Gehör bringt. Versetzt dazu agiert Camatta an seinem Schlagzeug. Am Ende hat man sogar den Eindruck, wenn man den Flötentönen lauscht, hier werde ein vielstimmiges Geschwätz wiedergegeben.
Track 5 beginnt mit ein wenig Percussion: Tätätä und titititti. Die Flöte mischt sich nachfolgend ein und hört sich so an, als wäre sie eine Signalflöte, die Kinder verwenden, wenn sie Lokführer und Bahnhofsvorsteherspielen. Der Flötenklang verstetigt sich im Fortgang des Tracks und verlässt das Signalhafte. Treibend ist der Vortrag der Flöte im Weiteren. Dazu kommt das Geraschel, das Camatta zu verdanken ist. Blockflötentechno kam mir als Begriff beim Hören in den Sinn.
Hört man da zu Beginn ein Nebelhorn, wenn Track 9 eröffnet wird? Die Flöte klingt fast danach. Kurze Themen bestimmen das weitere musikalische Geschehen. Die Variationen sind minimal. Irgendwie scheint man der Modulation eines Dreiklangs beizuwohnen. Über weite Strecke bestimmt Reisige, wohin die musikalische Reise führt. Camatta ist mit kurzen Schlagwerkakzenten zu hören. Kaum mal wirbelt er intensiv auf den Fellen seines Schlagwerks. Es hört sich eher nach einem Tttttkkkltttkkll an.
Nein ins Horn stößt Reisige auch beim Track 11 nicht, sondern lässt sein Flötenrohr schwirren und spielt mit den Resonanzen des Holzinstruments. Was sich wie Loops anhört, sind handgemachte Tonfolgen. Man hat den Eindruck, es gehe um Rede und Widerrede. Auch ein aufgeregtes Aufbrausen nimmt man wahr. Zudem kommt es noch zu einem Jajajaja.
Werden wir bei Track 14 etwa Zeuge eines Totengesangs? Zeitweilig meint man, es handele sich bei diesem Stück um ein Requiem für einen verlorenen Freund. Wäre der Ort der Aufführung dieses Tracks eine Kirche, man wäre sogar geneigt, an Choralhaftes zu denken.
Mit dem letzten Track findet das Eintauchen in die Welt von Techno bzw. elektronischer Musik statt. Hart sind die Beats und die Flöte ist schrill gestimmt. Irgendwie hat das Stück auch etwas von Punk, auch wenn die Sex Pistols oder Ramones nicht zugegen sind. Für Liebhaber von improvisierter Musik bietet das Album sehr interessante und variationsreiche Hörfarben. Zudem kann man nach dem Hören das Klischee über die Blockflöte ablegen – und das ist sicherlich gut so.


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