Brûlez les meubles

Brûlez les meubles

B

circum-disc

Brûlez les meubles ist der anarchistisch anmutende Bandname eines Trios, bestehend aus dem Gitarristen Louis Beaudoin-de la Sablonnière, der seinen Bachelor in Musik an der University of Sherbrooke abgelegt hat, dem Komponisten, Sänger und Bassisten Éric Normand, der in der Provinz Quebec lebt, und dem Drummer Louis-Vincent Hamel, der eine feste Größe in der Jazzszene von Quebec ist. Der Bassist des Trios ist eher der Improvisationsszene zuzurechnen und hat in den letzten zehn Jahren ein Improvisationsorchester namens GGRIL geleitet. Normand hat seinen Bass übrigens mit selbstentwickelndem elektronischem Krimskrams bestückt. Der Gitarrist der Band, der auch in der Jazz-Rock-Gruppe Gisèle zu hören ist, spielt eine siebensaitige Gitarre und steht durchaus in der Tradition der Jazzgitarristen von Jim Hall bis Bill Frisell. Melodische Linien sind gewiss seine Sache, aber auch undefinierte Harmonien und schneidende Riffs, wie man dem sogenannten Waschzettel entnehmen kann.

Das Album des Trios „Fackele die Möbel ab“/“Verbrenne die Möbel“ hat sich keinen Albumtitel ausgedacht, was ein wenig überrascht, auch im Hinblick auf die Vermarktung. Sieben Titel wurden für das vorliegende Album eingespielt: „L'affaire digitale“, „Le bonheur“, „Éminence“, „Hypothèse“, „Chaîne de montagnes“, „Lacet défait“ und „L'addition des sommets“.

„Die digitale Angelegenheit“ („L'affaire digitale“) beginnt ohne Effekte, ohne Loops, Delays oder Distortions, sondern mit einer erkennbar strukturierten Gitarrensequenz, die Stück für Stück aufgebaut wird, hier und da auch kurz abbricht und dann wieder eine Linie zeichnet, ohne sich im Melodiösen zu verlieren. Man denkt beim Zuhören überwiegend an Stichworte wie Kommentar, Redeschwall, Widerrede und Beharrlichkeit. Nervös agiert der Schlagzeuger dazu. Brummig gibt sich der Bass im Hintergrund, derweil im Laufe des Stücks der Gitarrist sich als verspielt erweist. Irgendwie aber vermisst man das Ansteuern eines gedachten Höhepunkts. Stattdessen erlebt man ein Oszillieren um eine Grundlinie.

Tendenziell nähert sich Brûlez les meubles der Geräuschmusik an, oder? Ein musikalisches Kontinuum scheint gar nicht angestrebt zu werden, auch nicht in „Le bonheur“. Gesetzte Impulse oder auch akustische Phrasen scheinen sich aneinanderzureihen. Dabei zeigen sich Gitarre und Bass in ihren Klangäußerungen als gleichlaufend, wenn auch in unterschiedlichen Lagen. Im Verlauf des Stücks entwickeln sich aus Klangfragmenten, dann doch fortlaufende Klangmalereien. Das ist im Kern dem Gitarristen geschuldet, der eh die Klangpalette in der Hand hält, während seine Mitmusiker ihm zur Hand gehen, so mit Besen, die über Bleche wischen.

Wie sieht wohl eine musikalisch umgesetzte Hypothese („Hypothèse“) aus, fragt man sich, wenn man das Album hört. Das besagte Stück ist wesentlich wilder, ungezügelter, aufrührerischer und aufmüpfiger. Dabei vereinen sich Gitarrist und Schlagzeuger zu Rabatz, Krawall und Unruhe. Doch um welche Hypothese geht es? Was soll untersucht werden? Wird die Hypothese bestätigt oder endet alles im Chaos oder in der Leere?

Bei dem Stück „Chaîne de montagnes“ hat man wirklich den Eindruck, es würden Bergketten erobert, als gehe es bergan und bergab. Dabei ist dann auch im Gegensatz zu den zuvor vorgestellten, wohl improvisierten Stücken ein klanglicher Strang vorhanden, mit dem das Melodiöse angestrebt wird. Doch was sich als erster Eindruck abzeichnet, verfliegt im Weiteren, teilweise auch im scheinbaren Off. Dabei kann der Zuhörer durchaus auch die Vorstellung haben, er werde mit Geräuschen der alten Industrien wie Stahl und Kohle konfrontiert und nicht mit der Welt von Industrie 4.0, in der die Arbeit von leise agierenden Robotern getan wird. Bilder vom Stahlabstich drängen sich auf, ebenso solche von gewalzten Blechen und Drähten. Das vollzieht sich sehr geräuschvoll. Zu derartigen Annahmen trägt auch die Tatsache bei, dass chaîne auch Fließband bedeuten kann!

„L'addition des sommets“ beschließt das Album. Es ist erneut ein Titel mit alpinem Bezug: „Summe der Gipfel“ lautet die Übersetzung. Darf man also erwarten, dass in diesem Stück verschieden gesetzte Höhepunkte angesteuert werden?Zunächst hat man jedoch beim Zuhörern eher Bilder von Wellenbergen und Monsterwellen im Kopf, von Unwetter mit Platzregen und Hagelschlag. Doch das, was zu Beginn als akustische Verwirbelungen daherkommt, löst sich ein wenig auf. Fragmente werden aufgereiht. Nur der Bass bleibt im dunklen Kontinuum, das den scharfen Akzentuierungen der Gitarre gegenübergestellt wird. Kurz sind die Schläge aufs Blech, die dem Schlagzeuger zu verdanken sind. Zwischendrin kann man ein Zwiegespräch zwischen Bass und Gitarre erahnen, während sich der Schlagzeuger in kristallinen Strukturen verstrickt. Gewiss ist dies kein Album, das der meditativen Versenkung dient. Im Gegenteil, Aufmerksamkeit ist erforderlich, um all den Biegungen und Wendungen folgen zu können, die von einem auf den anderen Moment sich ergeben. Es scheint ja auch, Musik aus dem Moment heraus zu sein.

Text: © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht public commons.

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