Bruno Råberg Nonet: Chrysalis

Bruno Råberg Nonet: Chrysalis

B

Orbis Music

Der in den USA lebende und lehrende schwedische Bassist und Komponist Bruno Raberg hat für das Album „Chrysalis“ folgende Musiker um sich geschart: Anders Boström (flutes), Allan Chase (saxes) , Donny McCaslin (saxes). Phil Grenadier (trumpet), Jeff Galindo (trbn), Tim Kelly (bass-trbn), Bruno Råberg (bass/compositions), Mick Goodrick (guitar) und Marcello Pellitteri (drums). Neben dem namensgebenden Titel des Albums hören wir unter anderem Stücke wie „Snowaltz“, „Nightfall“ oder „Yellow Bus“.


Schon nach den ersten Takten hat man den Eindruck einer kleinen Big Band mit entsprechendem Sound, der weitgehend von der Allgewalt der Bläser bestimmt wird. Doch über diesem satten Klangteppich erhebt sich bei „Snowaltz“ die Gitarre, die die Melodie anstimmt. Kurz, aber sehr prägnant greift auch die Flöte in das musikalische Geschehen ein, das die Saxofone und Posaunen, teilweise auch tieftönig, lenken. Hier und da gibt es Lücken im Klangteppich, sodass auch Raum für ein ausgiebigeres Saxofonsolo besteht. Hört man ihm aufmerksam zu, so meint man, vor seinen Augen tanzende Schneeflocken zu sehen. Auf das Saxofon antwortet nachfolgend die Gitarre mit flottem Spiel, setzt also den Tanz der Schneeflocken bildlich fort. Außerdem ist Bruno Råberg solistisch zu vernehmen. Dabei singt er zu seinem brummenden Bass, während ihn eine zart gestimmte Gitarre und ein dezent gespieltes Schlagzeug begleiten. Doch danach heißt es wieder Tutti.

Bei „Nightfall“, also dem Sonnenuntergang, ist es Phil Grenadier (trumpet), der das Stück eröffnet, bevor er in den Kreis der Bläser eintaucht. Getragen ist der Charakter des Stücks. Es scheint, als habe der Komponist damit ausdrücken wollen, dass das Leben nun allmählich in ruhige Fahrwasser driftet und die Hektik des Alltags ein Ende hat. Teilweise muten die Bläser in ihren gespielten Harmonien auch ein wenig wehmütig an, während Mick Goodrick (guitar) versucht, die glitzernde, nächtliche Stadt im Neonlicht einzufangen. Was erzählt uns denn da beinahe zum Schluss Phil Grenadier? Erzählt er von Nachtschwärmern oder Nachteulen, die frühmorgens auf ihrem Heimweg sind?

Kommen wir nun zu „Chrysalis“: Auch in diesem Stück ist es der Trompete mit einem Solo überlassen, die Komposition zu eröffnen. Dabei mischt sich dann am Rande auch ein Saxofon in den Melodielauf ein. Aufgeregt, durcheinander, verstimmt – so klingt die Trompete, die sich nach und nach mehr und mehr echauffiert. Auch wenn dann alle übrigen Bläser einsetzen, bleibt die Trompete im Vordergrund. Irgendwann jedoch übernehmen dann Gitarre und Bass das Kommando. Danach röhrt und krächzt die gedämpfte Trompete. Irgendwie scheint in diesem Stück Wandel und Veränderung ein fester Bestandteil. Das verwundert wenig, denn der Begriff „Chrysalis“ bezeichnet das Puppenstadium eines Schmetterlings. So erleben wir musikalisch wohl die Verwandlung von der Puppe zu einem prächtigen Schmetterling. Anschließend lauschen wir „Silhouettes“, ein Stück in getragenem Modus, in dem auch ein gestrichener Bass beim „Schattenwurf“ seinen Auftritt erlebt. Meldet sich die Trompete zu Wort, so meint man, eine Stadtsilhouette erhebe sich aus dem morgendlichen Nebel, man sehe die Kirchturmspitzen oder aber die hoch aufragenden Wolkenkratzer von Frankfurt oder anderswo. Die Flöte ist im Jazz ein eher vernachlässigtes Instrument, vor allem in Big Bands. Umso erstaunlicher ist es, welchen breiten Raum Bruno Råberg als Komponist einem Zarttöner einräumt. Anders Boström legt sich mächtig ins Zeug, um seinem Blasinstrumente die eher leisen und bedachten Töne, teilweise auch trillernd, zu entlocken. Auf geht es dann mit dem „Yellow Bus“. Zu Gehör bekommen wir eine überaus beschwingte Weise, bei der Anders Boström, begleitet vom Bass, einen samtenen Sound verströmt. Herbie Mann scheint im Geiste dabei zu sein. Anschließend sind es dann die Dialoge der Saxofone, die beeindrucken, wenn wir mit dem „Gelben Bus“ unterwegs sind, über Ampeln und Straßenkreuzungen hinweg, auf dem Highway und über Land. Zum Schluss entführt uns das Nonett in die Welt der bildenden Künste, wenn die Songs „Sculpture IV“ und „Sculpture V“ auf dem Programm stehen. Das erst genannte Stück eröffnet mit einem Basssolo, zu dem der Drummer seine Becken sanft tätschelt. Formt da, so suggeriert es der Bass, jemand seine Skulptur oder enthüllt er sie vor den staunenden Augen der Umstehenden? Sind es die Kritiker, die Trompete und Saxofon musikalisch einfangen? Irgendwie scheinen auch Kunstinteressierte und solche, die sich so selbst verstehen, in ein Gespräch verwickelt zu sein. Dazu höre man mal genau auf die Bläser, die bisweilen bissige Kommentare loslassen. Mit einem weiteren Kunstgenuss wird das Album dann abgerundet.

Nur hier und da klingt das Nonett wie eine Big Band. Über weite Strecken jedoch ist es ein sehr experimentelles Spiel, dem wir folgen können, und ein bisweilen auch in den Free Jazz tendierender Sound, der zu überzeugen weiß.

Text: © ferdinand dupuis-panther

Informationen

Musiker/Label boss

Bruno Råberg
http://www.brunoraberg.com/

Allan Chase
https://www.berklee.edu/people/allan-chase

Phil Grenadier
http://philgrenadierjazz.com/
https://www.facebook.com/philgrenadierjazz

Label

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http://www.orbismusic.com

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