Brekekekexkoaxkoax - Collage Works
B
Off Rec. ODG081
Brekekekexkoaxkoax ist seit 1996 ein Klangproject – ich bin eher geneigt von Geräuschmusikcollage zu sprechen – des in Austin beheimateten Künstlers Josh Ronsen. Dieser vereint Instrumentales, Improvisation und elektro-akustische Kompositionen vermischt mit gesprochenen Texten.
Dabei ist auffallend, dass ein kohärenter Zusammenhang nicht unbedingt stets gegeben ist. Hören wir mal, was der Künstler zu den einzelnen Stücken formuliert. Zu “The Erred” lesen wir Nachstehendes: „Inspired by the works of the Hafler Trio, in 1996 I set out to create a collage work based on a new way (for me) of organizing sound on a four track recorder. At the end of each recorded sound, a split second decision would be made as to the next sound or method. I tried not to think of how one typically chooses sounds, but rather to grasp at the first thing that came to mind. This is the only time I have ever used this method.“
Und was kam zum Einsatz, um eine solche Collage zu schaffen: Analoger Synthesizer, Tonbänder, Stimme, Klarinette, Digitaler Synthesizer, präparierte Gitarre, elektronische Effekte und ein CD player. Bei “I've Forgotten All Your Names” lag der Fokus auf Aufnahmen von Laura Brackney, die Gamelan-Instrumente spielte, und Aufnahmen von Musik, die mittels Sythesizer durch Alex Keller entstanden ist. Dank „gestohlener“ musikalischer Fragmente aus der Feder anderer Musiker wurde “On Education” geboren.
Beinahe zwanzig Minuten dauert die Melange, diese musikalischen und textlichen Schnipsel, die zu „The Erred“ zusammengefügt wurden. Da wird ein Rascheln zu einem basslastigen Klangwurf. Aus der Ferne dringt eine weibliche und dann eine männliche Stimme an unser Ohr, so als würden wir vor einem Weltempfänger sitzen und auf Kurzwelle mit Teilen der Welt verbunden sein, vor dem digitalen Zeitalter. Konstant ist ein Signalton, der in Tinnitus enden könnte. Ein verfremdetes Blasinstrument setzt Akzente, und dann erhebt sich eine klagende Frauenstimme. Motorengeräusche überlagern diese Stimme. „The act of definition … motivation means destruction … perception is what ...“ sind Textfragmente, die zu hören sind, weinerlich vorgetragen und zersetzt mit Industriegeräuschen. Es röhrt und rumort. Es schwillt an und vergeht. Die Stimme der klagenden Frau schweigt irgendwann.
Lässt man die Collage auf sich wirken, so ist der Begriff Hörspiel vielleicht am zutreffendsten. Auch dann, wenn man meint, man hört die Untertage-Signale, die die Bergleute für die Fahrt im Fahrkorb einsetzen. Aber was ist das? Glockenspiel? Exotische Klangstäbe, die unablässig nachhallen? Kirchenglocken, die verstimmt sind? Schleifmaschinen, die angeworfen wurden? Dann Stille und Gesang, der so klingt, als würde Joe Cocker einen Auftritt in einem verrauchten Pub absolvieren.
Quakende Frösche sind zu vernehmen, mit unterschiedlichen Tonlagen, mal näher, mal ferner. Oder sind da auch Zikaden zugegen, die sich zu Wort melden? Tschilpen und Schwirren dringt ans Ohr des Zuhörers und bricht abrupt ab, um dann einer männlichen Stimme Platz zu machen. Stammt das aus einer Radiosendung? Aber aus welcher? Wer redet da über Juden, über orthodoxe Juden? Wer redet über ewiges Leben? Wer über Toleranz? Und dann folgt schließlich ein Geräuschinferno in Schleifenstruktur – wieder ein Puzzle für die Collage.
Hat “I've Forgotten All Your Names” etwa musikalisch mit einer Shruti-Box zu tun? Man könnte es anfänglich vom Klang her meinen, oder? Oder wurde hier ein Harmoniumklang aufgespielt und ein Klicken und Klacken? Irgendwie scheint das, was wir vernehmen, wie eine Vorform von New Age, analoges New Age. Und dann, ja dann, schält sich aus dem brummenden, schnarrenden, schwirrenden Klangteppich hier und da der glasklare Klang von Gamelanmusik heraus.
Im Kern folgt auch das letzte Stück der aktuellen Veröffentlichung ähnlichen Spuren, auch wenn sich dabei eher instrumentell-rhythmische Schraffuren mit sakral anmutendem Gesang verbinden.
Jazz im klassischen Sinne ist dies nicht, sondern eher ein sehr freies Konzept von Improvisation, von Geräuschmusik, von Neuer Musik im Avantgarde-Kostüm, Neue Musik 4.0, oder? Übrigens, derartige Musikvorträge brauchen den Moment und die Liveform!
Text: © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht public commons!