Brandon Allen - The Stanley Turrentine Project
B
Membran
Der aus dem westaustralischen Perth stammende Saxofonist Brandon Allen – nunmehr in Großbritannien beheimatet – hat eine besondere Vorliebe für die Spielweise und den Ansatz von Stanley Turrentine.
Das spiegelt sich auch im nachstehenden O-Ton über das aktuelle Album wider: “This is very much a labour of love. My deep respect for Stanley Turrentine’s music has guided me in putting together these arrangements and in my selection of what I believe is my strongest band to date. I believe that we’ve captured some of the ‘spirit’ of the music and I can’t wait to share this album with the world.” Und was für Stanley Turrentine gilt – „There’s so many ways you can hit one note“ -, gilt auch für Allen, der sehr nahe an den Duktus von Turrentine kommt, ohne eine sklavische Kopie von Turrentin abzuliefern. Und noch ein Zitat sei an dieser Stelle eingefügt: „Like Ammons, I have always loved Stanley’s way of phrasing and his unmistakeable sound. Turrentine made his name performing with legends such as Jimmy Smith, Freddie Hubbard, George Benson and numerous others. His albums on the Blue Note and CTI labels in particular have become jazz classics. His soulful, expressive, and fluid style has always appealed to me. When putting this project together I deliberated over the choice of tunes for some time. Listening to as many albums as I could, discovering some gems along the way, I slowly began to pick out some selections that resonated with me and that would work well with this line-up. I then began to arrange these for the quartet. Some of the original versions were orchestral in nature and so I tried to capture the essence of that large ensemble feeling.“ Übrigens, manch ein Hörer mag das Album mit dem Begriff „Mainstream“ belegen. Für andere ist es ein Album, das zu den vielen Wurzelsträngen von Jazz zurückführt. So wird mit dem aktuellen Alben auch der Tatsache genüge getan, dass Jazz kein monolithisches Genre ist, sondern aufgefächert daher kommt.
Zum Quartett von Allen gehören neben dem Tenorsaxofonisten Allen der Pianist und Keyboarder Will Barry, der Bassist Conor Chaplin sowie der Drummer Dave Ingamells. Nein, Eigenkompositionen von Allen hören wir auf dem Album nicht. Statt dessen eröffnet es mit einem Beatles-Song namens „You Can Buy Me Love“. Mit „The Fool On The Hill“ hat das Quartett einen weiteren Beatles-Song fürs Album aufgenommen. Wir finden auf diesem zudem „Love For Sale“ (C. Porter), „Little Green Apples“ (B. Russell) sowie eine Reihe von Kompositionen Stanley Turrentines, darunter „Mississippi City Strut“ – Schlussstück des Albums, „Let It Go“ oder „And Satisfy“. Übrigens, wer den Vergleich mit Stanley Turrentines Spielweise im Original sucht, der lausche auf YouTube Aufnahmen wie „Sugar“. Alle anderen lassen sich einfach mal auf Brandon Allen ein und spitzen die Ohren.
Aufgemacht wird „Can’t Buy Me Love“ von dem Pianisten des Quartetts, ehe dann Brandon Allen das musikalische Zepter schwingt. Doch nachfolgend ist es erneut der Pianist, der dem Stück seinen Stempel aufdrückt mit einem Duktus, der auch prägend für Ragtime ist, Passagen des Beatles-Songs phrasiert und paraphrasiert. Das Tempo des Stücks ist flott und mag für das Tanzen von Jive bestens geeignet zu sein. Brandon Allen unterstreicht in dem Eröffnungsstück, dass ein Tenorsaxofonist in der Lage ist, auch weich gezeichnet zu spielen, zudem aber auch sonor und gleichsam wie in einem Perlenspiel die Klänge verbinden kann. Wer sich übrigens an die Geburtsstunde des Rock’n’ Roll erinnert und an frühe Songs dieser Ära der 1950er Jahre, der vermag in Allens Spiel Klangverwandtschaften zu entdecken. Übrigens das Arrangement mit Wechselspiel zwischen dem Pianisten und dem Saxofonisten findet sich auch in „You’re Gonna Hear From Me“ wider. „Love For Sale“ gehört zu den Standards des Jazz und datiert auf das Jahr 1930. Der Song entstammt einem Musical. Das Lied wurde aus der Perspektive einer Nutte geschrieben, die die Spielarten der Liebe besingt. Zunächst war „Love For Sale“ ein Cole-Porter-Hit, fiel dann aber der Zensur zum Opfer und wurde in den Rundfunkanstalten nicht mehr gespielt. Zu hören waren Zeilen wie „Appetizing young love for sale/Love that's fresh and still unspoiled/Love that's only slightly soiled/Love for sale“. Brandon Allen präsentiert auf seinem Album eine reine Instrumentalversion mit ihm als „Leitstimme“ für das Thema des Stücks und dem Pianisten mit energievoller Begleitung und schnell dahin rinnenden Passagen im solistischen Intermezzo. Man ist geneigt den Begriff des Kaskadierenden zu wählen. Diese Kaskaden nimmt Allen auf, sobald er abermals im Fokus steht. Dabei lässt er seine Saxofon-Stimme hier und da als gebrochene hören. Ja und dann ist auch mal der Bassist als Solist präsent und nicht nur als Beiwerk eines Quartetts. Doch auch dieser verzichtet auf das Thema und übt sich statt dessen in Saiten-Ausschweifungen. Das Thema ist jedoch am Ende des Stücks zu hören, wenn Allen es mit seinem Holzbläser lautstark anstimmt. Bei „Little Green Apples“ wird durch die Anwesenheit eines Rhodes eine ganz eigene Klangfärbung beigemischt. Zudem lässt Allen seine durch und durch sonore Stimme erklingen, nur teilweise aufgeraut und in keiner Weise überbordend. Der Eindruck, dass dieses Stück auch ein Stück Popmusik drängt sich auf. Dabei gibt es zudem eine würzige Prise von Soul zu erleben.
Kommen wir nachfolgend zu den Kompositionen Turrentines, die Allen für das Album selektiert und arrangiert hat. Da wäre zunächst einmal „And Satisfy“: Bei diesem Stück ist eine Ragtime- bzw. Boogie-Linie nicht zu überhören, vor allem in den Sequenzen auf den weißen und schwarzen Tasten, die Will Barry antippt. „Kaskadentreppe“ wird dabei an „Kaskadentreppe“ angefügt. Über diese Piano-Passagen lässt der Saxofonist Allen seinen Holzbläser „röhrend“ dahingleiten. Mit weniger Verve als Allen geht der Bassist Conor Chaplin zu Gange, der die Saiten seines Tieftöners lang anhaltend schwingen lässt, wenn er das Thema des Stücks anstimmt. Und im Verlauf des Stücks sieht man dann Paare sich eindrehen, den Überschlag und die schnellen Schrittfolge, wie sie im Lindy Hop und später im Rock ’n’ Roll gang und gäbe waren. Nachhaltig im Ohr bleiben die sonoren, stark ausklingenden Saxofon-Passagen in „Let It Go“. Im Duktus unterscheidet sich das Arrangement dieser Turrentine-Komposition kaum von „And Satisfy“ . Doch einen Unterschied gibt es: Der Saxofonist lässt sein Instrument gelegentlich sehr marktschreierisch in Erscheinung treten. Da aber die Arrangements Allens stets auch seinen Mitmusikern Raum lassen, ist dieser Eindruck nicht so überwältigend wie bei manch anderem Saxofonisten, der sich in der Tat in seinem Auftritt mehr als Alleinunterhalter begreift. Schließlich sei noch auf „Mississippi City Strut“ hingewiesen: Nicht zum ersten Mal auf dem Album greift Will Barry in die Tasten eines Rhodes und haucht dem Stück so ein wenig Jazz Rock ein, wandelt, so kann man meinen, auf Joe Zawinuls Pfaden. Insgesamt gibt diese Instrumentierung dem Stück eine Frischzellenkur und lässt Turrentine auch hinter sich – und das ist nicht das Schlechteste, das man machen kann.
Abschlussbemerkung: Wüsste man nicht gerne, warum die Auswahl gerade auf die Beatles-Songs gekommen ist, die wir auf dem Album hören? Und das ist eben nicht „Yesterday“, nicht „When I’am 64“ oder „Norwegian Wood“. Rechteprobleme oder eine Frage der Arrangements im Stil Turrentines für ein Quartett? In ähnlicher Weise stellt sich auch die Frage nach der Auswahl der Turrentine-Songs, oder?
© ferdinand dupuis-panther
Line-up
Brandon Allen - tenor saxophone
https://brandonallen.co.uk/stanley-turrentine-project
Will Barry - piano and keyboards
Conor Chaplin - basses
Dave Ingamells – drums