Black Diamond - Furniture Of the Mind Rearranging
B
We Jazz Records
Black Diamond aus Chicago debütiert mit ihrem neuen Album „Furniture Of the Mind Rearranging“ bei dem finnischen Label We Jazz Records. Unter der gemeinsamen Leitung von Artie Black und Hunter Diamond (Komponisten, Saxophone und andere Holzbläser) tritt Black Diamond sowohl in Quartett- als auch in Duo-Besetzung auf. Ein Teil des Albums präsentiert das Quartett mit den langjährigen Bandmitgliedern Matt Ulery (Kontrabass) und Neil Hemphill (Schlagzeug) unter dem Titel „Furniture Of the Mind“. Ein weiterer Albumteil fällt unter den Titel „The Mind Rearranging“, wobei Black und Diamond eine meditative Duo-Begegnung zweier Tenorsaxophone präsentieren. So liest man es in einem Text des Labels.
Was wir aktuell hören können, ist eine Zusammenstellung neuer Kompositionen und Improvisationen wie “Mycelium” and “Motor Neurons”, die den etablierten Sound der Band weiterentwickeln und zeigen, wie sich die Band in die kreative Musikszene Chicagos einfügt. „Das Quartett bewegt sich zwischen treibendem Off-Kilter-Groove, klagendem Minimalismus und intimer Kammermusik, mit dem stets präsenten Geist des Small-Group-Jazz und dem schwebenden Einfluss der improvisierten Musikkultur Chicagos.“ So erfahren wir aufgrund eines Pressetextes zum vorliegenden Album.
Eröffnet wird das Album mit "Carrying the Stick". Beinahe hypnotisch ist der Klang, der sich ausbreitet. Da mischen sich feine Flötenklänge mit Blechrauschen und mit dem sonoren Klang eines Saxofons. Oder ist es doch eine Bassklarinette, die wir hören? Welch ein Klangerlebnis, zumal die Flöte aus dem Jazz der Gegenwart beinahe gänzlich verschwunden ist. Die Flötenlinien erscheinen bildlich wie fedrige lang gestreckte Cirruswolken. In einem schwebenden Auf und Ab bewegt sich der Klang der Flöte, der abgelöst wird durch den samtenen Klarinettenklang, der Artie Black zu verdanken ist. Überaus präsent ist das Blechrauschen, das der Drummer zum Stück beiträgt. Im Dunst schwirrender Bleche bewegen sich dann Flötist und Klarinettist im weiteren Verlauf des Stücks bis zum Finale. „Dovetail“ steht nachfolgend auf dem Programm. Beim Hören erlebt man den sonoren Klang eines Saxofons. Oder sind es gar zwei Holzbläser, die ihre Stimmen erheben? Jedenfalls ist dichtes Klanggewebe das, was die beiden Zentralfiguren des Ensembles, nämlich Black und Diamond verantworten. Wie ein steter Wellengang bei mäßigen Winden klingt das, was wir hören. Durchdringend ist der Schlagzeuger am Werk. Da scheinen gleich mehrere Bleche zu flirren, zu rauschen, zu schwirren. Gibt es nicht außerdem ein Wechselspiel zwischen den beiden Saxofonisten Artie und Diamond, an dem wir teilhaben können?
Bei „Seen“ erleben wir Weichzeichnungen des Saxofonklangs. Man könnte bildhaft von einem Nebel des Klangs sprechen, der da zu erleben ist. Zugleich konstatieren wir eine Verwebung der beiden Saxofone, die durchaus orchestral zu bezeichnen ist. Über “Zoetic” lesen wir: „Zoetic“, related to vitality and the nature of living things, was composed by Diamond for the occasion of an interdisciplinary exposition (of the same name) hosted at Elastic Arts Foundation in Chicago. At this event, the band celebrated the release of new music, visual artist Marine Tempels opened a show of new paintings in the visual gallery, and the entire venue was decorated by a local botanic artist.“ Liest man diese Zeilen, so scheint doch ein Vergleich mit Bildmotiven, wie oben, ganz nicht abwegig.
Gleichsam schwerelos und losgelöst erscheint die Melodielinie, der wir bei „Jayber Crow“ lauschen. Auch hier ist eine Verkettung der beiden Saxofonisten zu konstatieren, die sich im Verlauf von einander lösen. Aufsteigend sind die Linien in einem Saxofonsolo, das uns präsentiert wird. Im Nachgang verharrt das eine Tenorsaxofon in den hohen Lagen und das andere in den Tiefen. Das eine erscheint aufgebürstet und das andere eher mit Phlegma versehen und bedächtig agierend. Übrigens, bezieht sich der Titel des Stücks auf eine Novelle namens „Jayber Crow“ von Wendell Berry über einen Waisen, der als Barbier im Jahr 1932 in seine Heimatstadt zurückkehrt?
Auch eine Gottesanbeterin vertonte Black Diamond in einem Stück, genannt „Mantis“. Beim Hören erlebt man Dramatik, auch ein wenig die Welt von Edgar Allan Poe. Gespenstisch schein die Szenerie, die eingefangen wird. Da vereint sich eine stetig schnurrende Klarinette mit Vogelstimmen, die der Flötist auf seinem Instrument erzeugt. Gemeinsam schaffen die Instrumentalisten eine Klangszenerie, die dem Bild von der „Toteninsel“ gleicht, die Arnold Böcklin gemalt hat. Oder wird in dem Stück schlicht das stille Warten der Fangschrecke auf nahrhafte Beute inszeniert? Und beim Hören des Stücks fragt man sich, ob der Fang wohl gelingen wird und wer das Opfer ist.
“Say to Yourself” überzeugt durch ein sehr elaboriertes Bass-Solo als Intro. Und danach folgt ein Bläsersatz, der sich als Nachgang von Bop und Modern Jazz kennzeichnen lässt. Bisweilen meint man, man höre tanzbare Grooves und auch die Adderley Brothers jenseits von „Mercy, Mercy, Mercy“. Und ein wenig Jazz aus Westafrika, namentlich von Fela Kuti, meint man überdies heraushören zu können. Sehr überzeugend agieren die beiden Tenorsaxofonisten und fangen uns als Hörer mit ihren Klangfärbungen ein. Weitere klangliche Episoden, die wir hören sind „Furniture Of the Mind“, „Lost Motion“ und „Catlett“.
Fazit: Insbesondere Black und Diamond überzeugen in ihren musikalischen Facetten und Nuancen. Da gibt es kein banales Einerlei, sondern Jazz der Gegenwart vom Feinsten. Das Narrative ist durchaus präsent. Eklektizismus mag der eine oder andere dem Ensemble unterstellen, aber das ist völlig ungerechtfertigt.
© ferdinand dupuis-panther
Info
We Jazz
Line-up
Artie Black - tenor saxophone, bass clarinet
Hunter Diamond - tenor saxophone, flute
Matt Ulery - double bass
Neil Hemphill - drums
Track listing
Carrying the Stick
Dovetail
Seen
Zoetic
Jayber Crow
Mantis
Say to Yourself
Furniture Of the Mind
Lost Motion
Catlett
Mycelium
Motor Neurons