Berlin 21: Odds on
B
Blackbird Music
Willkommen in Berlin-Moabit, in Berlin 21, bei der Band gleichen Namens, die nun nach „Capital Letters“ ihr nächstes Album herausgebracht hat. Gegenüber dem Vorgängeralbum gibt es in der Band eine Veränderung in der Besetzung: In dem von dem Drummer Torsten Zwingenberger ins Leben gerufenen Jazz-Projekt "Berlin 21" wirken neben dem Pianisten Lionel Haas noch der Bassist Martin Lillich und als „Neuling in der Band“ der Gitarrist Tim Seier mit. Unabhängig davon werden aber von dem Berliner Quintett auch Kompositionen des ehemaligen Bandmitglieds Patrick Farrant (guit) gespielt: „Steppin' In“ und „W.M.“ Torsten Zwingenberger hat als Bandleader keine Kompositionen zum Album beigesteuert. Vielmehr war es an Martin Lillich die überwiegende Zahl der Titel zu schreiben. Darunter sind der Eröffnungstitel „Sitaki Shari“ – das klingt schon nach Weltmusik – und der Schlussakkord „Mockingbird“. Lionel Haas hat drei Kompositionen geschrieben, u. a. „Swindle“ und „Take Back The Scene“.
Mit einer Note Afrika macht das Album auf, wenn „Sitaki Shari“ erklingt. Irgendwie muss man ein wenig an „Pata Pata“ denken, somit auch an Miriam Makeba, obgleich Berlin 21 ohne Vokalistin auskommt. Stattdessen hören wir einen quicklebendigen E-Bass, gespielt von Martin Lillich. Ihn begleitet mit viel Drive Lionel Haas am Klavier. Im Hintergrund wirbelt zeitgleich Torsten Zwingenberger, sodass der Hüftschwung beim Zuhören schon ein Muss ist. Dass Lionel Haas zwischen Klavier und Rhodes wechselt, gibt dem Titel eine besondere Würze, zumal der Rhythmus des Stücks sehr rasch auf den Zuhörer überspringt- keine Musik für Stuhlhocker, die es gerade mal schaffen, mit den Füßen zu wippen.
„Swindle“ ist da im Vergleich zum vorher genannten Stück schon ein wenig verhaltener angelegt, wenn auch mit einem Schuss Swing versehen und in den Hörfarben von Klavier und Gitarre bestimmt. Perlendes Klavierspiel ist ebenso zu vernehmen wie ein stetig dumpfer Kontrabass. Das ist dann schon wieder an einem klassischen Jazztrio ausgerichtet. Weich und zugleich auch ausladend sind die Sequenzen, die Tim Seier seinem Saiteninstrument entlockt, ehe der Bassist ein freies Feld eingeräumt bekommt, um solistisch zu agieren. Torsten Zwingenberger hält sich in all diesen Phasen sehr bedeckt und lässt seine Mitmusiker aus dem Vollen schöpfen.
Man müsste ja annehmen, wenn ein Gitarrist der Komponist ist, so von „Steppin In“, dann müsste die Gitarre auch das Lead-Instrument des Vortrages sein. Über weite Strecken ist das auch der Fall. Tim Seier nimmt uns auf ein rasantes Fingerspiel mit. Dabei hat man den Eindruck, er hätte dabei eine riskante Schnellfahrt über die Berliner Avus, noch im Originalzustand mit Nordkurve, im Sinn gehabt. Auch Lionel Haas am Tastenmöbel lässt sich nicht zweimal bitten und setzt fort, was Tim Seier begonnen hat. Statt „Steppin' in“ müsste es wohl „The Runner“ heißen. Wenn Martin Lillich seinen gestrichenen Kontrabass vorstellt, hat man für kurze Momente die Vorstellung, der Hot Club de France sei zugegen.
Den Blues bekommen die Zuhörer – dank vor allem an Lionel Haas – bei „Black Sea Blues“. Aber auch orientalische Klanganmutungen werden beigemischt, was in den Händen von Tim Seier liegt. Der wiederum agiert aber auch in bester Manier von B. B. King, so meint man hier und da. So lauschen wir denn einem Blues vom Schwarzen Meer. Nicht „To be or not to be“ ist bei Berlin 21 die Frage, sondern es heißt „To 3 or not to 3“. Beschwingt-fröhlich ist das Grundmuster dieses Songs. Dabei scheint er durchaus auch etwas von der Tradition der Standards zu haben, die zum Repertoire jeden Jazzers gehören. Losgelöst agiert Tim Seier und nimmt uns auf eine Achterbahnfahrt mit. Im Geiste schwingen dabei Joe Pass, Jim Hall und andere Heroen des Gitarrenjazz mit, aber nicht Django Reinhardt, auch wenn Tim Seier eine vergleichbare technische Fingerfertigkeit unter Beweis stellt.
Bei „Express Brain“ – eigentlich muss man beim Zuhören an einen Expresszug denken, was gewiss auch an Torsten Zwingenbergers Schlagwerkeinsatz liegt – sorgt Lionel Haas dafür, dass dieser Eindruck beim Zuhörer nachdrücklich im Gedächtnis haften bleibt. Schließlich lauschen wir dem Song „Mockingbird“, sprich der „Spottdrossel“. Ohne Frage springt uns dabei ein „Let it swing“ an, ein sehr gelungener Abschluss, oder?
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Blackbird Music
http://www.blackbirdmusic.de
Musiker
Berlin21
http://www.berlin21.info