Bart van Dongen/Jurriaan Dekker/Eric van de Lest - Blauwhout Geel
B
Self produced
Was, so fragt man sich, ist eigentlich Blauholz-Gelb? Das Albumcover zumindest verrät es uns nicht. Es ist mit schlierigem Lila und einem blauen schlierigen Streifen versehen, so als hätte man mit einem Rakel ausgegossene Farbeinheiten auf dem Malgrund verteilt. Alles zerfließt und fließt. Unschärfen sind auf dem Cover zu erkennen. Ob das auch auf die Musik, die im Kern improvisiert ist, zutrifft?
Die Besetzung des Trios ist „klassisch“ zu nennen, soweit es die Instrumentierung betrifft: Kontrabass, Flügel und Schlagzeug. Also, was können wir erwarten, wenn doch die Klangfülle durch die beschränkte Besetzung Grenzen hat? Ja, gewiss, Präparationen erweitern die genannten Instrumente, aber …
Eine Reihe von „Fantasien“ und „Tagträumereien“ - die deutsche Übersetzung von „Mijmering“ - präsentiert Bart van Dongen. Zudem finden sich noch zwei Trio-Improvisationen auf dem aktuellen Album.
Eröffnet wird das Album mit einem sehr ausgedehnten Solo des Pianisten Bart van Dongen. Streckenweise hat man den Eindruck, man lausche einer Etüde in Frühlingsgrün. Da scheint ein sanfter Wind durch die Kronen der Bäume zu streichen, und man vermeint auch, Wasserspielen zu lauschen. Über künstlich errichtete Treppen ergießt sich Wasser von Stufe zu Stufe, ehe es in einem Bassin aufgefangen wird. Wasser spritzt auf, bildet auf der Oberfläche konzentrische Kreise. Fängt van Dongen nicht auch einen Wasserlauf ein, der irgendwo im Untergrund versickert?
Mit einem Tonschlag mit sanftem Nachhall beginnt das zweite Stück. Schlägt da gedämpft eine Standuhr? Oder tropft es da nicht kristalltönig? Das Bild eines Besuchs in einer Tropfsteinhöhle drängt sich auf, in der in aller Langsamkeit das in die Kalkfelsen eindringende Wasser zu Boden tropft. Von der vorgetragenen Musik geht jedenfalls etwas durchaus Beruhigendes aus, trotz des Anspielens des Diskants und des Widerstreits zwischen eher „erdigen“ und „himmlischen“ Klängen.
Im vierten Stück der „Fantasien“ und „Träumereien“ zeichnet Bart van Dongen vor unserem geistigen Augen aus Klängen eine Quelle, die aus dem Untergrund sprudelt und dann wieder versickert. Rinnsale ergießen sich und formen ein Quellgebiet. Und am Ende folgen wir einem klangvollen Bachlauf. Eruptives ist nicht auszumachen, Lyrisches hingegen schon.
Bluesig angehaucht kommt das nachfolgende Stück daher. Tragisches und Dramatisches gehen im Verlauf des Piano-Solos eine „sandfarbene“ Melange ein, in der Schattierungen von Siena und Umbra durchscheinen. Hier und da drängt sich der Eindruck auf, Bart van Dongen sei in einen Dialog verstrickt. Dabei trifft ein bodenständiger Bass auf ein verspieltes Sopransaxofon, ein Bild, mit dem die Klangfärbungen eingefangen werden können.
Das kürzeste Stück auf dem Album, „Mijmering 6“ umfasst lediglich vier Minuten, während die übrigen etwa zehn Minuten dauern. Doch man kann auch ohne klangliche Extensionen Stimmungen zum Ausdruck bringen, oder? So kann man beim Zuhören durchaus an einen Sommertag mit hohen Temperaturen denken, an dem das Leben eine gewisse Trägheit erfordert. Zeit rinnt dahin und die Langsamkeit nimmt ihren Lauf. Kristallene Ausschläge kommen vor, aber die scheinen eher das flirrende Licht einzufangen, wie dies in ihrer Malerei die sogenannten Luministen taten.
Zum Schluss werden uns dann zwei Improvisationen mit der Länge von etwa 30 bzw. 40 Minuten vorgestellt. Das ist nicht der Geschmack des Rezensenten, der eher kurze Improvisationen bevorzugt. Allerdings ist dies ja eindeutig geschmäcklerisch.
Auf die erste Improvisation sei an dieser Stelle abschließend eingegangen: Kurzer Tastenschlag trifft auch sacht gezupfte Basssaiten. Hier und da ein Schlag auf ein Trommelfell. Alles hat ein mäßiges Tempo. Suchend erscheinen die Klänge, die Bart van Dongen im weiteren seinem Flügel entlockt. Gestrichen bringt sich der Bass ein und entfaltet einen gewissen Klang-Tinitus, wenn auch nicht aufdringlich, sondern hintergründig. Werden da nicht auch die Saiten des Flügels mit den Händen im Korpus gedämpft, sodass kein Nachhall zu vernehmen ist?
Lang schwingende Basssaiten treffen auf Blechgeschwirr und Klangsprünge in Schwarz und Weiß, was Bart van Dongen zu verdanken ist. Er bringt die Improvisationen in einen durchaus melodischen Fluss. Beinahe synkopisch agiert Eric van de Lest am Schlagwerk. Zur gesetzten Kurztönigkeit, die Bart van Dongen verantwortet, regt sich stoisch der Bass. Farbgebungen wechseln zwischen Mausgrau und Olivgrün, umfassen aber auch Zwischentöne mit und ohne Blechgeraschel. Immer wieder sind melodisch-lyrische Passagen auszumachen, vernimmt man einen Klangstrom, mit dem man dahingleiten kann. Kontemplation ist dann möglich. Insgesamt muss man außerdem konstatieren, dass das Klavier in seinen Klangnuancen sehr dominant ist und die Mitspieler eher marginale Rollen einnehmen.
Text: © ferdinand dupuis-panther
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