Bart Defoort Quintet - Inner Waves (ferdinand dupuis-panther)
B
W.E.R.F. 137
Bart Defoort ist als Saxofonist eine feste Größe in der belgischen Jazzszene, vor allem weil er von Anfang an beim Brusssels Jazz Orchestra, das 1993 entstand, dabei war. Als Sideman war er auf dem ersten von De W.E.R.F. Records herausgegebenen Album zu hören. Er gehörte gemeinsam mit seinem Bruder Kris zu KD’s Basement Party. 1997 veröffentlichte De W.E.R.F. Bart Defoorts erstes eigenes Projekt namens „Moving“. In den nachfolgenden Jahren folgten Veröffentlichungen wie „The Lizard Game“ (2003), „Sharing Stories On Our Journey“ (2008) und nun „Inner Waves“.
Veröffentlicht wurden ausschließlich Kompositionen des belgischen Saxofonisten, ob „Last Night Drive“, „No More Church“, „Make That Move“ oder „Too Late To Tell You“ und zum Abschluss des Albums „Still“. Zuvor jedoch ist „Inner Waves“ zu hören. Zum musikalischen Gelingen tragen neben Bart Defoort der Gitarrist Hans Van Oost, der Pianist Ewout Pierreux, der Bassist Christophe Devisscher und der Drummer Toni Vitacolonna bei.
Auf der Albumhülle sind verschiedene Wellenansichten abgebildet. Das eigentliche Cover zeigt in Schwarz-Weiß einen Blick aus einem fahrenden Zug oder Auto auf das leicht bewegte Meer, Spiegelungen sind dabei eingeschlossen. Der Beginn der Flut scheint in einem der Schwarz-Weiß-Fotos im Inneren der Albumhülle festgehalten worden zu sein. Tosende Wellen mit Gischt auf den Kronen sieht man in einer weiteren Abbildung. Doch welche Bewandtnis haben diese Meeresansichten mit den „Inneren Wellen“, von denen der Albumtitel kündet?
„Late Night Drive“ wird anfänglich von einer starken Basshand des Pianisten Ewout Pierreux geprägt, ehe dann ein samtener Saxofonklang beigemischt wird. Bart Defoort scheint mit seinem Atemrohr eine nächtliche Fahrt durch eine verschlafene Großstadt vor Augen zu haben, wenn er spielt. Nur noch wenige Nachtschwärmer begleiten ihn dabei. Auch Hans Van Oost hat seine Minuten der solistischen Einlage. Beim Zuhören kann man sich vorstellen, dass Taxifahrer aufmerksam nach denjenigen Ausschau halten, die die Nacht zum Tag machen und unbedingt noch den ersten Sonnenstrahl erleben wollen, wenn auch die letzte Bar ihre Tür geschlossen hat. Stellenweise groovt der Song und lässt besten Soul durchscheinen, insbesondere beim Solo von Ewout Pierreux, der hier und da ein wenig nach Ray Charles in seinen besten Tagen klingt.
Wir sind zwar nicht auf der „sunny side of the street“, aber auf der „Bright Side“, wenn wir uns dem Album weiterhin zuwenden. Wohltemperiert und gestimmt geben sich Bart Defoort und Ewout Pierreux. Ja, das Licht und dessen Glanz fangen beide ganz nachhaltig ein. Schließt man die Augen, so entwickeln sich vor dem geistigen Auge wunderbare rote Sonnenaufgänge, die in ihrem Farbspiel ins Orange und Gelbe tendieren. Das Leben beginnt und diesen Beginn erleben wir mit Bart Defoort, der uns den pulsierenden Alltag präsentiert. Seine Saxofonläufe evozieren das Bild von Autokolonnen, von Menschen, die den U-Bahn-Eingängen zustreben, von blinkendem Ampellicht, vom Aufbruch in einen neuen Tag. Auch Hans Van Oost nimmt dieses Bild mit seinen flotten Gitarrenläufen auf. Noch viel mehr als Bart Defoort scheint es an ihm, das sich entwickelnde städtische Treiben musikalisch umzusetzen, ob man da nun an den Ku'damm, den Big Apple oder einen anderen Boulevard im Herzen einer Metropole denkt.
Eher ins Balladenhaften driftet der Song „ Too Late To Tell You“ ab. Hier und da spürt man auch eine gewisse Verzweiflung und Tragik. Man möchte fast annehmen, hier werde eine Trennung besungen, die zugleich ein Neuanfang ist. Man lausche besonders auf die Solopassagen von Christoph Devisscher am Bass, dezent eingerahmt von Ewout Pierreux am Piano. Diese beiden Musiker setzen fort, was Bart Defoort zuvor begonnen hat. Ist es wirklich die Trauer um eine Verflossene oder den Verflossenen, über eine Liebe, die ihre Zeit hatte und nun vorbei ist, weil das, was zu sagen gewesen wäre, einfach zu spät gesagt wurde?
Die „Inneren Wellen“ werden durch ein nervöses Schlagzeugspiel eingeleitet, so als wolle Toni Vitacolonna kurze Brecher musikalisch einfangen. Rollende Wellen hingegen werden von Saxofon und Gitarre musikalisch ins Bild gesetzt. Es gibt lange Wellen und kurze, lauscht man dem „Stakkatospiel“ von Ewout Pierreux sowie dem verwirbelten Auf und Ab des Saxofonspiels. Manchmal sieht man dabei die springenden Wellen, die sich überschlagen. Dann wieder sind auslaufende Wellen im Spiel, vor allem den sehr abwechslungsreichen Saxofonmotiven verdankend. Ins gleiche Fahrwasser steigt Ewout Pierreux mit seinen solistischen Welleneskapaden.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
http://www.dewerfrecords.com
Musiker
Bart Defoort
http://bartdefoort.com/news/