Baba Sissoko & Mediterranean Blues - Live in Basel

B
Caligola Records
Nunmehr liegt das dritte Album von dem aus Mali stammenden und in Kalabrien beheimateten Musiker und Geschichtenerzähler Baba Sissoko und seiner Band Mediterranean Blues vor. Das Mittelmeer, das früher ein Kreuzungspunkt verschiedener Völker, diverser Traditionen und Kulturen war, ist heute zu einem Ort des Todes und Konflikts geworden ist. So erhält das sogenannte Mare Nostrum eine symbolische Bedeutung.
Nach der Erkundung einer intimeren, akustischen Dimension in seinem letzten Werk „Paris Bamako Jazz“, bei dem er von dem französischen Keyboarder Jean-Philippe Rykiel begleitet wurde, setzt sich der Musiker nunmehr mit „afro-kalabrischem“ Griot, und Amadran auseinander, sprich mit dem afrikanischen Vorläufer des Blues. Die Live-Aufnahme lebt nicht nur durch die Stimme Sissokos, sondern vor allem auch durch die Brillanz und Energie des Mundharmonika-Virtuosen Domenico Canale. Zusammen kreierten sie auf dem Basler Floss Festival im Juli 2023 einen mediterranen Blues mit viel Rhythmus, mit elektrischem Gitarrenklang, mit afrikanischer Bechertrommel und Binnenspießlaute.
Schon bei den ersten Takten des Albums fühlt man sich dem handgemachten Blues von Alexis Corner, John Lee Hooker und Sonny Terry sowie Brownie McGhee sehr verbunden. Zugleich sind die Klänge Westafrikas und der Griots gegenwärtig. Rhythmus, Rhythmus, Rhythmus – so klingt es nicht nur wegen des Einsatzes einer afrikanischen Bechertrommel und afrikanischer Sprechtrommel. „Vorgesang“ und „Chorgesang“ als Antwort auf den Vorsänger ist nicht zu überhören. Dabei sind die Muster auf Wiederholungen angelegt; die Melodielinien sind eingängig und leicht singbar, auch und besonders für ein Blues affines Konzertpublikum. Das scheint in Basel anwesend gewesen zu sein und sich im „Chorgesang“ am Konzert beteiligt zu haben.
Mit „Hey Baby Blues“ wird aufgemacht; zu hören ist ein “Duett“ aus E-Gitarre und Mundharmonika. Stampfende Rhythmik ist auszumachen und dazu eine Mundharmonika, die sich zu Klanghöhen aufschwingt. Eingängig ist die Stimme von Baba Sissoko und dazu kommt aus dem Kreis der Mitmusiker das „gesangliche Echo“. Oder singen da etwa Menschen aus dem Publikum mit?
Die Mundharmonika schwirrt und flirrt. Mit „Everybody“ richtet sich Sissoko ans Publikum, derweil der Blues seinen Lauf nimmt und wir uns weniger am Mittelmeer aufhalten als im Bayou. Insbesondere die rhythmischen Linien machen es dem Zuhörer schon beim Eröffnungsstück schwer, einfach sitzen zu bleiben und nicht herumzuzappeln. Aufgeweckt, heiter und losgelöst kommt der Blues daher. Der Vokalist und der Harmonikaspieler treten hervor, legen sich mit ihren Stimmen über einen Klangteppich, der wohl auch durch einen erdgefärbten E-Bass bestimmt wird.
Feurig und die Stimmung anheizend geht es mit „Bakadaji“ weiter. Der Gesang steht im Fokus und dazu der helle fast an eine Mandoline erinnernde Klang der Binnenspießlaute. Wie ein steter Lavastrom entwickelt sich die Musik. „Eruptionen des Klangs“ vernehmen wir, auch im Wechselgesang, der Teil der Inszenierung ist. Und im Hintergrund rollen die Töne der Mundharmonika. Getrommel ist allgegenwärtig und mitreißend. Singt da nicht auch das Publikum erneut mit, aufnehmend vorher gehörten melodischen Passagen „Ejeje“ oder „Ähähä“? So in etwa klingt die Resonanz des Publikums, Und nach einem kurzen Saitenzupfen ist dann Schluss.
Es folgt „Amadran Blues“ mit beinahe wimmerndem, seufzenden Mundharmonikaklang. Wir lauschen obendrei dem Zwiegespräch zwischen dem Vokalisten Sissoko und Domenico Canale. 8 to the bars – oder was? „Ebi“ besticht nicht nur durch feine Saitenklänge, sondern auch durch Akkordeon-Anmutungen, die uns der Harmonikaspieler darbringt. Und stets präsent ist der in der Lyrik wiederkehrende Gesang von Baba Sissoko. Ein Ohrenschmaus ist zudem das Solo des E-Bassisten Walter Monini, auf den Sissoko besonders hinweist, wiederholt gesanglich hinweist. Hören wir bei „Masaya“ Kora oder doch die aufgeführte Binnenspießlaute? Teilweise vernehmen wir Klänge, die auch an eine mittelalterliche Drehleier denken lassen. Insgesamt dringt ein vielstimmiges Klanggemisch an unsere Ohren. Von der Melodie her kann man an ein Volkslied über den Frühling denken. Ist daran auch der Gitarrist Angelo Napoli beteiligt? Man darf es vermuten, auch wenn man bei diesem Stück aufgrund der Klangnuancen an den Einsatz von einem irischen oder galizischen Dudelsack denken muss, oder? Übrigens, an dem melodischen Vielerlei nimmt wohl auch der Klarinettist Alessandro De Marino teil und schwelgt in den höchsten Sopranlagen. Und mit „Saluti, saluti“ wird das Festivalpublikum animiert. Orgiastisch kann man die pulsierende Musik nennen, keine Frage. Ein drumming Solo wurde zum Schluss auch noch eingefügt.
Zum Schluss ein Wort zu „Mediterranean Blues“, wie andere Stücke des Albums aus der Feder von Baba Sissoko: Zu Beginn vereint sich Saitenzupfen mit Bluesharp-Gesang. Und dann, ja dann ist es an Baba Sissoko für Gesang und Stimmung zu sorgen. Derweil dringen intensive Trommelwirbel an unser Ohr. Und die Bluesharp „wimmert“ und „wabert“, zeigt sich aufbrausend und provozierend. Dezentes Saitenspiel zieht sich durch das gesamte Stück, unaufdringlich über weite Sequenzen. O ja, der Blues besingt nicht allein Sorgen und Verzweiflung, sondern ist fröhlich gestimmt und voller Energie, zumindest in der kalabrisch-malischen Ausprägung von Sissoko!
© ferdinand dupuis-panther 2025
BANDCAMP CALIGOLA RECORDS
Musicians
Baba Sissoko (vocals, tama/afrikanische Sprechtrommel, ngoni/Binnenspießlaute)
Alessandro De Marino (clarinet, electronics)
Domenico Canale (harmonica)
Angelo Napoli (electric guitar)
Walter Monini (electric bass)
Eric Cisbani (drums)
Ady Thioune (percussion, djembe/ einfellige Bechertrommel aus Westafrika)
Special guests:
Tobia Ciaglia (electric bass)
Philippe Lago (drums)
BANDCAMP
Tracks
1) Hey Baby Blues
2) Bakadaji
3) Amadran Blues
4) Ebi
5) Masaya
6) Mediterranean Blues
7) Djarabi Blues
8) Bibisa
All compositions (music and lyrics) by Baba Sissoko