Arne Torvik Trio - Northwestern Songs
A
Losen Records
Betrachtet man das Cover, das eine Schneelandschaft mit einem Close-up auf eine im Blattkleid gelblich verfärbte Hängebuche zeigt, dann ist der Norden Europas ganz nahe. Aus dem Norden Europas kommen auch der Pianist Arne Torvik, der Kontrabassist Bjørnar Kaldefoss Tveite und der Schlagzeuger Øystein Aarnes Vik. Ihre „Dreieinigkeit“ repräsentiert ein prominentes Moment der Jazzgeschichte, nämlich das klassische Jazztrio bestehend aus Klavier, Bass und Schlagzeug. Von diesen gibt es auch aktuell ungezählte, sodass es wahrlich eine Kunst ist, sich mit einem solchen Trio Gehör zu verschaffen. Norwegen, das Heimatland der drei genannten Musiker, hat Musiker wie Garbarek, Andersen, Rypdal und Wesseltoft hervorgebracht, die ganz wesentlich den nordischen Jazz geschaffen haben. Und was hat das Trio um den aus Molde stammenden Arne Torvik der Jazzgeschichte hinzuzufügen, fragt man sich. Sind es die Versuche, Popmusik und Jazz zu verschmelzen?
In den Liner Notes von Chris Monsen ist Folgendes zu Lesen: „With Torvik’s strong melodies leading the way, KaldefosTveite and Aarnes Vik tread assuredly but lightly close by. Focused, attentive, and understanding rather than reine in, sometimes taking center stage as Torvik leans back.The approach is one of openness and fluidity, the trio moving seamlessly from one stage to the next, investigating new connections between various pop forms and jazz. As such, Northwestern Songs is proof that there is still plenty of ways to explore the piano trio format.“
Aufmacher des Albums, das weitgehend aus Kompositionen von Arne Torvik besteht, ist „Compromises“, gefolgt von „Psalm“ und „First Song“. Zu hören sind außerdem „Åpent rom“ („Offener Raum“), „Home“, „Iver“ und „Johan“. Bereits bei den ersten Takten vom Eingangsstück meint man eine Mischung aus Pop und Singer/Songwriter ausmachen zu können. Weiche Melodielinien entwickelt das Ensemble, vorweg der Pianist, der klangliche Springfluten entstehen lässt. Gäbe es einen deutschen Text zu diesem Stück, dann wäre die Nähe zu den aktuellen Barden deutscher Zunge vollkommen. Dass diese auch von Herz und Schmerz singen wie die Vertreter der Schlagerwelt, ist bekannt. Und schließlich sind auch Songwriter englischer Zunge nicht gerade in den Fußspuren von Bob Dylan und Joan Baez oder Pete Seeger unterwegs.
Sehr lyrisch ausgeformt, aber ohne sakralen Zungenschlag trotz des Titels, ist „Psalm“, das mit einer Basseinführung aufwartet. Das Melodische steht im Fokus und wie im ersten Stück hat auch der Bassist im weiteren Verlauf den Raum für Entfaltung, sodass das Trio nicht nur als Monolith in Erscheinung tritt. Hier und da bricht das Bild von einem erfrischenden Sommerregen bei schwül-warmen Wetter auf, vor oder an Mittsommernacht. Kristallines vernimmt man obendrein vom Pianisten, der schon als die dominierende Stimme des Trios in Erscheinung tritt. Zudem drängt sich beim Zuhörer das Bild von kleinen Strudeln auf, so die Klangbilder, die der Pianist zeichnet. Nachfolgend hören wir „First Song“: Perlendes Klavierspiel ist auszumachen. Zugleich denkt man an Musik zu Wasserfontänen, die emporschießen und zusammenfallen. Die Musik ist ausladend, dahinfließend, scheinbar ohne Grenzen. Für Momente nimmt sich der Pianist zurück und der Tieftöner entfaltet seinen Klang, dabei auch mit dem Klangkörper Klavier wetteifernd.
Nachfolgend zunächst eine Anmerkung zu „Åpent rom“ und dann abschließend zu „Johan“: Wie ist ein „offener Raum“ musikalisch anzulegen? Mit wenigen Vorgaben? Mit freiem Spiel? Mit „Free Jazz“? Mit dem Wechsel in der Führungsrolle des Trios? Nichts von allem scheint realisiert worden zu sein. Stattdessen erleben wir eine musikalische Verstrickung von Bass und Piano, hören Klangströme. Haben das Bild von kristallklarem Wildwasser im Kopf und das griechische Panta Rei. Doch alles ist dabei gebunden, strukturiert und nicht entfesselt. Klavierpräparationen gibt es nicht. Das Klavier ist ein Klavier, ohne Mutanten. So nimmt alles seinen Lauf, auch im offenen Raum. Ist das überzeugend? „Johan“ steht schließlich am Ende der Veröffentlichung und strahlt eine gewisse klassische Tiefe aus. Unterscheidet sich das von anderen Jazztrios? Ich denke eher nicht. Die Präferenz von Arne Torvik liegt auf einer gewissen lyrischen Linie, die aber auch andere europäische Trios pflegen. Es fehlt ein mitreißendes Zipp und Zapp, oder? Aber das ist gewiss auch geschmäcklerisch.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
http://www.arnetorvik.com
https://open.spotify.com/artist/7wIjlaL576ezBXdBuC3rGZ