Arkady Shilkloper/Vadim Neselovskyi - Lustrum/Krai
A
Neuklang
“Lustrum” markiert die fünfjährige Zusammenarbeit zwischen dem aus Odessa stammenden, nunmehr in Brooklyn lebenden, klassisch und im Jazz ausgebildeten Pianisten Vadim Neselovskyi und dem in Moskau und Berlin beheimateten Hornisten Arkady Shilkloper, ein brillanter Virtuose auf dem Flügel-, Wald- und Alphorn. Die klassische Ausbildung zieht sich wie ein roter Faden durch die Kompositionen des Albums, auf dem auch „Kornblume“ zu finden ist. Dabei ist Arkady Shilkloper auf dem Alphorn zu hören. Angesichts seines Ansatzes ist es jedoch sehr schwer bei ihm zwischen dem Spiel auf dem Wald- und dem Alphorn zu unterscheiden.
Mit „Get Up And Go“ sowie „Song for Vera“ wird das aktuelle Album aufgemacht. Mit „Intrada“ und „Almost December“ findet es seinen Abschluss. Sehr lyrisch und zudem ein wenig getragen, wenn nicht gar schwermütig eröffnet Vadim Neselovskyi mit seinem Tastenspiel „Get Up And Go“. Zeitweilig meint man, man höre Kristalle klirrend zerspringend, ehe dann Arkady Shilkloper sein Horn ertönen lässt, fordernd, nach vorne drängend, dabei unterstützt vom energetischen Duktus, den Vadim Neselovskyi an den Tag legt. Beim Zuhören hat man den Eindruck, beide würden Wolkenbilder zeichnen, die mal langsam, mal schnell am Himmel vorbeiziehen. Dabei gibt es im Verlauf des Stücks auch dramatische Passagen, die Unheil verheißen, oder? Gekonnt ist die Inszenierung des Lyrischen im Wechsel mit dem Dramatischen.
In keiner Phase des Stücks vernimmt man ein verwässertes Tastenspiel. Wohl gesetzt und mit Verve sind die Sequenzen ausgeführt. Ist da nicht auch Windsäuseln bzw. das Schwirren eines Bienenschwarms in die Komposition eingebunden worden? Man möchte es meinen, lauscht man Arkady Shilkloper auf seinem Flügelhorn (?). Ja, der russische Hornist wechselt durchaus das Horn während eines Stücks. Doch überwiegend ist er auf dem voll klingenden Waldhorn zu hören, das hier und da an eine Posaune erinnert.
Auch die nachfolgende Komposition „Song for Vera“ stammt aus der Feder des ukrainischen Pianisten und überzeugt durch eine sehr lieblich-frühlingshaft anmutende Melodielinie. Leichtigkeit umfängt den Zuhörer, der auf einem flauschigen Melodieteppich dahinschweben kann. Zudem fügt der Pianist in diesem „Song for Vera“ noch seine stimmliche Linie hinzu, sodass man meint, man lausche einem Trio.
„Songs My Parents Sing“ (comp. N. Bogoslovsky) hat etwas von einem slawischen Tanz, insbesondere in der solistischen Einführung. Lauscht man Arkady Shilkloper hat man gelegentlich den Höreindruck einer Trompete, wenn auch sehr weich gespielt und nicht zornig-ätzend wie bei Miles. Dazu perlt unablässig das Spiel der schwarzen und weißen Tasten. Elegisches vermischt sich mit Lyrischem. Aber auch Aufbruch signalisiert das Spiel des Duos zum Ende hin.
„Kornblume“ und „Intrada“ sind Arkady Shilkloper zu verdanken. Lauschen wir dem Stück „Kornblume“ so scheint das Bild weiter Alpe und Hochebenen präsent. Auch wenn der russische Hornist Alphorn spielt, so ist nichts von der verklärten Heidi-Welt zu spüren. Fein gesetzt sind zu den Klangnebeln des Hornisten die diskanten Tastenklänge. Und auch eine Form von Melodica scheint mit im Spiel zu sein, wenn das Stück seinen Fortgang nimmt. Doch der Weichklang des Horns dominiert den Höreindruck.
Sehr frei angelegt und geheimnisvoll-bedrohlich klingt „Intrada“. Da treffen kristalline und basslastige Flügelpassagen auf getragene Hornsequenzen. Es scheint, als würde das Duo nebelgraue, symbolistische Stadtansichten in Klangbilder gebunden haben.
Einige Jahre vor „Lustrum“ spielte das kongeniale Duo „Krai“ ein. Auch dieses Album überzeugt durch die Dramaturgie, vor allem durch das Wechselspiel zwischen den Weichzeichnungen des Hornisten und den eher rhythmisierten Passagen des Pianisten.
„Spring Song“ und „Krai“ sind auf dem Album ebenso zu hören wie Alpines mit „Alpine Sketch“ und „Alpine Trail“. Zudem vernehmen wie „Last Snow“ und „Late Night Sunrise“.
Beinahe aus dem Off entspringt „Spring Song“, in der Eröffnung vom Hornspiel geprägt und beinahe an ein Halali zu früher Morgenstunde erinnernd. Im Spiel des Pianisten vermeint man, die musikalische Umsetzung eines frühen Morgens zu entdecken, an dem noch Tautropfen an Büschen und Gräsern hängen. Zugleich liegen Nebelwolken tief über der Landschaft. Allmählich scheinen, so kann man der musikalischen Inszenierung entnehmen, die ersten Sonnenstrahlen aufzukeimen. Und was signalisiert uns, derweil der Hornist, der mit seinen scharfzüngigen Sequenzen aufwartet?
„Krai“ gleicht in seiner Klangwelt einem stetig niedergehenden Nieselregen, der ab und an in einem sommerlichen Sturzregen aufgeht, so suggeriert es das Spiel von Vadim Neselovskyi. Wohl temperiert kommt Arkady Shilkloper auf seinem Horn daher. Eine sanfte Föhnbrise scheint den Zuhörer nach dem Regenguss zu streifen. Und dann passelt das Himmelsnass erneut nieder. Hier und da vermeint man, einen Türmer zu vernehmen, der im urbanen Dschungel aufhorchen lässt. Zudem scheint das Duo eine weite offene Klanglandschaft vor uns auszubreiten.
In die Welt der Berge entführt uns „Alpine Sketch“. Beim Spiel von Arkady Shilkloper hört man ein leichtes Echo, den Widerhall von den schroffen Felswänden. Spielt der russische Hornist nun Waldhorn oder doch Alphorn? Letzteres scheint naheliegend. Beinahe wie ein Tubist mit einer gewissen Behäbigkeit ist Arkady Shilkloper unterwegs. Dazu im „Kontrapunkt“ sind die Setzungen von Vadim Neselovskyi zu sehen, der eine energiegeladene „Basslinie“ pflegt, über die der Hornist hinwegschwebt. Dabei löst er sich aus der tiefgründigen Behäbigkeit.
Wie ein Zwischenspiel, dramatisch, bedrohlich, unheilvoll und zwischen Nebelhorn und Didgeridoo changierend, mutet das Spiel des Hornisten in „AlperiDuo 1“ an. Dazu gesellen sich zerbrechliche Kristallklänge, die dem Pianisten zu verdanken sind. Als Verneigung vor dem weltweit bekannten Vibrafonisten Gary Burton – mit ihm hatte Vadim Neselovskyi zeitweilig gespielt – ist „Prelude for Vibes“ zu begreifen,
„Last Snow“ scheint passend zum Albumcover gewählt, das eine winterliche wellige Landschaft zeigt. Schließlich folgen wir dem Duo auf dem„Alpine Trail“: Ein bedrohliches Schwirren ist nicht zu überhören. Dazu tritt das perlende Diskantspiel des ukrainischen Pianisten Vadim Neselovskyi, der uns glauben macht, er fange das brechende Eis der Bäche und Bergseen am Ende des Winters ein. Losgelöst vom Eis ist dann alles im Fluss, was durch das fließende Spiel des Hornisten noch unterstrichen wird.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label: Neuklang
www.neuklangrecords.de
Musiker
http://www.vadimneselovskyi.com/no_flash.php
http://www.vadimneselovskyi.com/html/
https://www.jaro.de/de/kuenstler/arkady-shilkloper/
https://www.shilkloper.com