Anton Mangold Quartett – Da Xia

Anton Mangold Quartett – Da Xia

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Doctor Heart Music

Anlässlich eines Konzerts zu Zeiten der Pandemie konnte man in der regionalen Tageszeitung Main Post lesen: „Anton Mangold, mittlerweile 29 und studierter Jazz-Saxofonist, der auch ein Diplom in klassischer Harfe hat, ist wahrlich einer der Schweinfurter Musiker, die man ganz besonders im Blick haben sollte. Er ist Kulturpreisträger der Stadt, bekam mit seiner Band den jungen deutschen Jazzpreis 2017. Nach dem Debüt-Album "Bejing Underground" aus dem Jahr 2017 kam in diesem Jahr das neue Album "Da Xia" heraus, das die Band in 60 Minuten voller Energie und Spielfreude vorstellte.“ Und weiter lesen wir: „Eingängige Melodien und stetiger rhythmischer Energiefluss, das macht die meist von Anton Mangold komponierten Songs auch auf dem neuen, deutlich erwachsener wirkenden Album "Da Xia" aus.“ Die Besetzung des Quartetts ist klassisch mit Saxofon, Bass, Drums und Klavier. Die vier Musiker haben sich übrigens beim gemeinsamen Studium an der Hochschule für Musik in Würzburg kennengelernt und lassen viel ungebändigte Energie in ihre Musik einfließen.

Zur Einleitung hören wir „Da Xia (Intro)“, gefolgt von „Gong Ga“ und „Memories of the Jade Emperor“. Außerdem sind folgende Stücke zu hören, die teilweise recht kurz sind: „Urban Myth“ und „Human Being“. „Future Dreams“ ist mit einer Spieldauer von acht Minuten ebenso eine Ausnahme wie „Da Xia“ mit mehr als neun Minuten Dauer. Auch die „Verbotene Stadt“ hat das Ensemble vertont: „Forbidden City“. Und am Ende heißt es „DeDaDoWei“. Auffallend ist schon der starke Bezug zum Reich der Mitte, zumindest in Bezug auf die Betitelung. Hat ein längerer Aufenthalt in Peking dazu beigetragen oder gar das Zusammenspiel mit dem Drummer Zhitong Xu?

Ein sonorer Singsang dringt dank des feinen Saxofonspiels ans Ohr des Zuhörers, wenn die Einleitung von „Da Xia“ erklingt. Dabei hat man gelegentlich den Eindruck, Anton Mangold würde Loop-Sequenzen imitieren. Unvermittelt und übergangslos tauchen wir dann in „Gong Ga“ ein. Zugleich werden wir in einen Klangmalstrom hineingezogen. Aus dem Strudel erhebt sich Mangold mit seinem Saxofon, derweil im Hintergrund ein aufbrausendes Schlagwerk mit hektisch gesetzten Tastenklängen eine Verbindung eingeht. Der Saxofonist entäußert sich, beginnt eine rasante Klangfahrt, mit und ohne schleifenförmige Abgleitungen. Eruptives wird zu Gehör gebracht. Dazu trägt ganz wesentlich der Drummer bei. Klangliche Höhepunkte werden angesteuert und der Malstrom des Klangs dreht sich unaufhörlich, reißt den Hörer mit, der in die klanglichen Überschläge eingebunden wird. Entgegen dem Titel „Memories of the Jade Emperor“ hat auch diese Komposition so gar nichts Fernöstliches. Es scheint nur, dass Mangold im vorliegenden Fall das Altsaxofon gegen ein Sopransaxofon getauscht hat, mit dem er den „Jadekaiser“ besingt. Mangold knüpft wellige Melodiestränge an Melodiestränge und erklimmt die klangliche Himmelsleiter. Dabei ist sein quirliges Spiel schon auffallend. Bisweilen meint man, Mangold begleite den Triumphzug eines Kaisers, der in eine seiner vielen Residenzen einzieht. Einen Hauch von Jazz Rock vermittelt uns der Pianist Felix Schneider-Restschikow, der am Fender Rhodes zu erleben ist. Es scheint dann auch ein wenig Joe Zawinul durch, ehe es an Mangold ist, uns auf eine sehr melodiöse Klangreise mitzunehmen. Und im Hintergrund heizt der Schlagzeuger Zhitong Xu munter ein.

Gestrichener Bass vereint sich mit Beckengeschwirr, das Zhitong Xu geschuldet ist, wenn „Urban Myth“ angestimmt wird. Doch auch hier wird die Klangfarbe durch Mangolds versiertes Saxofonspiel bestimmt. Ein stetes Schnurren ist wahrnehmbar, durchaus auch exaltiert daherkommend. Rinnend und dahinströmend ist das, was der Pianist seinem Tastenmöbel abringt. Man hat beim Zuhören die Vorstellung eines schmalen mäandrierenden Bächleins. So dahinrinnend endet auch das Stück, ehe dann „Human Being“ beginnt. Sehr sanft ist Mangold in diesem Stück mit seinem Sopransaxofon unterwegs. Nachfolgend stellt sich der Bassist in den Fokus, begleitet mit wenigen Setzungen durch den Pianisten. Dieser ist in einem perlenden Spiel im Nachgang zu vernehmen. Kristallin und klar sind die Tonfolgen, die im Diskant dahinrieseln. In einem Auf und Ab bewegt sich gegen Ende des Tracks der Saxofonist, der das Stimmvolumen des Instruments voll ausschöpft. Ist bei „Da Xia“ nicht auch Gesang zu hören, Obertonstimmen aus dem Off? Man könnte es annehmen, derweil der Saxofonist seine Stimme anschwellen lässt und bisweilen so klingt, als wolle er eine Bansuri aber mit wesentlich mehr klanglicher Durchschlagskraft in Szene setzen. Als Ergänzung zur klassischen Quartettbesetzung erlebt man bei diesem Stück auch den  E-Gitarristen namens Zhinan Xu, den Bruder des Drummers der Band. Dabei lässt er sein Instrument lautstark wimmern, mit dem Saxofonisten darum wetteifernd, wer das musikalische Zepter in der Hand hält. Im Weiteren vereinen sich im Wechselgesang der als temporärer Gitarrist agierende Zhitong Xu und der guttural gestimmte Saxofonist Anton Mangold. Und dann ist auch wieder vielstimmiger Gesang zu hören. Was gesungen wird, lässt sich für den Rezensenten nicht dechiffrieren. Wie in anderen Stücken auch, wird das Quartett in seine Bestandteile gebrochen. So hört man beispielsweise den Bassisten mit den Kristallsetzungen des Pianisten und den sphärischen Anmutungen des Gitarristen. Und nachfolgend stehen Drummer und Pianist im Fokus. Das Quartett stellt sich also nicht als Monolith zur Schau.

Begleiten wir das Quartett nun flugs und besuchen die „Forbidden City“. Auch in diesem Stück sind es die dahinziehenden Saxofonklänge, die uns anziehen. Daneben spielt der Pianist auch wieder Fender Rhodes und fügt so eine andere Klangfarbe bei, und das im Wechselspiel von Saxofonisten und Pianisten. Dabei scheinen Post-Bop und Modern Jazz sehr nahe, oder? Wollte man mit Bildern arbeiten, um die Klangwelten von Mangold und Co bei diesem Stück umzusetzen, so müssten man einen urbanen Dschungel zeichnen, die Rush Hour einfangen, ebenso Myriaden von Radfahrern und Mopedfahrern, die sich durch die Reihen von unzähligen Autos schlängeln. Das Spiel ist derart nervös und hektisch, auch durch ein aufwühlendes Drumming, sodass man nicht umhinkommt, an den Wahnsinnsalltag in einer Megapolis zu denken. In „DeDaDoWei“ schließlich hört man Theodor Spannagel als Vokalisten, teilweise mit hoher Kopfstimme singend, aber auch rezitierend. Dabei ist das Stück im Gegensatz zu dem sonstigen Narrativ des Albums partiell lyrisch ausgerichtet. Doch auch rockige Elemente sind dem Stück beigegeben, vor allem wenn Zhihan Xu die Saiten seiner Gitarre wimmern, jaulen und schreien lässt. Das ist alles nicht bruchlos, denn gleich im Anschluss konzentriert sich alles auf den Gesang von Spannagel, der stimmlich von seinen Mitmusikern begleitet wird. Schade, dass dem Album die Lyrik nicht beigefügt ist, um inhaltlich begreifen zu können, worum es in „DeDaDoWei“ geht. Gewiss ist nur, dass es trotz des Titels nicht um DADA geht, oder?

© ferdinand dupuis-panther




Infos

Anton Mangold – Saxophon
Felix Schneider-Restschikow – Piano
Zhitong Xu – Drums
Theodor Spannagel – Bass

https://www.facebook.com/AntonMangoldQuartett/?ref=page_internal


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