Andy Manndorff 4tet: Dirt&Soil
A
cracked anegg rec.
Die Band, die sich da mit Staub und Erde befasst, besteht aus Andy Manndorff (guitar), Clemens Wenger (piano, electronics), Stomu Takeishi (electric Bass) und Ted Poor (drums). Die beiden Begriffe scheinen aber auch das Urbane und das Rurale, also den Gegensatz von Stadt und Land zu umreißen.
Zunächst einige Bemerkungen zur Band: „Andy Manndorff präsentiert seine Musik mit einem hochkarätigen Quartett: Clemens Wenger (piano, keyboards, live electronics) gehört zum kleinen Kreis der eigenständigen „Selbstdenker" der jungen österreichischen Jazzszene. Stomu Takeishi (electric bass) ist ein alter Weggefährte Manndorffs aus New Yorker Tagen und hat unter den E-Bassisten wahrscheinlich den unnachahmlichsten klanglichen Zugang. Ted Poor ist mittlerweile einer der gefragtesten Schlagzeuger der New Yorker Szene und mit Stomu Takeishi in vielen Projekten gemeinsam tätig.“ So heißt es in einem Text des Labels cracked anegg.
Mit „first sight“ macht das Album auf und endet dann mit „painkiller (daytime)“. Während man auf der Einspielung den Titel „soil“ findet, fehlt es an „dirt“. Warum bloß? Bei „first sight“ drängt sich der Eindruck auf, dass Andy Manndorff gleichsam den Tag begrüßt. Dabei erhebt sich der Melodiefluss aus dem Nichts. Im Hintergrund agiert ein emsiger Schlagzeuger mit Bedacht. Elektronische Effekte sind anfänglich auch Teil des musikalischen Konzepts. Je länger das Stück andauert, desto stärker macht sich der Eindruck breit, die Nacht sei vorbei und der Morgen nimmt seinen Anfang. Die ersten Sonnenstrahlen zeigen sich. Der Tag nimmt seinen Lauf. Nicht Gitarrenpassagen, sondern eine zurückhaltende Pianosequenz eröffnet mit einer Basslinie „won't get rid of it“. Die Gitarre vibriert im Hintergrund, ehe sie sich im Thema mit dem Piano abstimmt. Irgendwie scheint auch ein Stop und Go zu diesem Stück zu gehören, das sehr zurückgenommen daherkommt. Zu vernehmen ist auch ein galoppierender Rhythmus – dank sei Ted Poor –, über den dann Andy Manndorff seinen Gitarrensound schweben lässt.
Woran denkt man bei einem Titel wie „mayday“? An einen Notruf, eine Katastrophe, an ein Unglück, an den Tod? Musikalisch ist aber kein Inferno zu vernehmen, sondern Manndorff eröffnet den Reigen mit wohlgesetzten Gitarrenpassagen, die auf- und abzirkulieren. Es scheint, dass Manndorff dabei stets auf der Suche nach der Melodie unterwegs ist. Sehr zurückgenommen agieren auch Manndorffs Mitspieler. Irgendwie drängt sich beim Zuhören nach und nach der Eindruck von Sphärenklängen auf, was sicherlich durch die Soundeffekte im letzten Drittel des Stücks befördert wird. Fast zehn Minuten lang können wir uns als Zuhörer „wild, etwas romantisch“ hingeben. Eine verzerrte E-Gitarre unter Manndorffs Fingern, ein energetisch aufgeladener Bassist, akzentuierte Akkorde des Pianisten, ein wirbelnder Schlagzeuger – das ist das, was einen wesentlich Teil der Komposition ausmacht. Wild ist diese Nummer, romantisch wohl eher nicht. Dazu fehlt das lyrische Moment. Wie auch in den übrigen Kompositionen scheint die Struktur der Musik in diesem Stück ganz und gar auf Manndorff fokussiert zu sein. Er bestimmt die Klangformen und Hörfarben, bestimmt das Tempo und dessen Wechsel. Warum auch immer, ich musste als Rezensent gerade bei dem Stück „wild, etwas romantisch“ an den norwegischen Gitarristen Terje Rypdal denken.
Abschließend sind auf dem vorliegenden Album „soil“ und „painkiller (daytime)“ zu hören. Wie muss „Erde“ klingen, frage ich mich. Dunkel, tieftönig, akzentuiert, energetisch. Doch das Tieftönige ist Manndorffs Sache nicht. Seine Gitarrenpassagen entschwinden in höheren Sphären, und auch Stomu Takeishi am Bass scheint wenig erdverbunden. An „Erde“ musste ich beim Hören gar nicht denken, eher an eine nächtliche Tramfahrt und an Neonlichter der Großstadt, also an Urbanität. Mit einer „Schmerzlinderung“ verabschiedet sich das 4tet von seinen Hörern. Allerdings hat man eher den Eindruck, es werde ein hartnäckiger Migräneanfall musikalisch simuliert und die erwünschte und erhoffte Entspannung dank eines „painkillers“ sei sehr fern.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Andy Manndorff (guitar)
http://www.manndorff.com/biografie.htm
Clemens Wenger (piano, electronics)
https://clemenswenger.wordpress.com/
Stomu Takeishi (electric Bass)
http://www.freebase.com/m/09115p
Ted Poor (drums)
http://tedpoor.com/