Andrea Veneziani Trio feat. Kenny Werner - Oltreoceano
A
alessa records, ALR 1024
Andrea Veneziani ist ein Jazzbassist aus Italien, der in New York lebt. Seine Debut CD ist eine Trio Session mit dem großartigen Pianisten Kenny Werner und dem Schlagzeuger Ross Pederson. Es werden Venezianis Eigenkompositionen sowie je eine aus den Federn von Charlie Parker, Thelonius Monk und Bill Evans geboten, so "Segment", "Pannonica" und "Time Remembered". Dabei scheint insbesondere der Einfluss von Evans ganz maßgeblich Venezianis Spielstruktur zu bestimmen. In einem Interview mit dem Bassisten heißt es: "It's really about interplay. I had listened to a lot of Bill Evans's piano trio recordings during my years of studies. Bassists in those kinds of groups have more space -- Scott LaFaro, Marc Johnson, all the bass players who played with Bill Evans always had the chance to play longer solos and counterpoint lines. You have more space and you can also break a bit the typical role of the instrument. I was always attracted to that." Space meint damit Freiraum und Entfaltungsmöglichkeit auch für den Mann am Tieftöner, der ja in der Regel "ein hintergründiges Dasein fristet". Zwischen den Stücken hat das Trio freie Episoden eingewoben, so vor „Night Flights“, aber auch vor „Time Remembered“ oder Monks „Pannonica“, ein von vielen Jazzmusikern interpretierter Titel der Ikone des Bebop.
Gleich zu Beginn des Albums zeigt sich Kenny Werner mit seinem ausgeprägten lyrischen Spiel, das allerdings auch akzentuierte Noten aufweist. Bass und Drums haben zunächst zu schweigen. Irgendwie verbreitet das Trio mit seinem „Nachtflug“ ein Gefühl von gedämpfter Jazzmusik in einer schummrig beleuchteten Bar. Man meint gar das Gemurmel der Gäste zu vernehmen, die eher am Gesehenwerden als an der Musik Interesse zeigen. Dezent ist das Spiel von Veneziani, stellenweise kaskadierend das von Kenny Werner. Erst im letzten Drittel hat Veneziani stärkeren Einfluss auf das musikalische Geschehen und lässt die Saiten seines Dickbäuchers laut und vernehmlich schwingen. Impulsives Spiel zeichnet das Trio bei Charly Parkers „Segment“ aus. Auch dabei hat man den Eindruck, dass Kenny Werner derjenige ist, der die Dramaturgie in den Händen hält. Voller Energie entlockt er dem Klavier die Töne, lässt sie hopsen, purzeln, springen und überschlagen – dies sind Näherungsbegriffe, um das Gehörte in Bildern auszudrücken. Auch bei „Segment“ kann man einem Solo von Veneziani folgen, der sich dabei des Themas annimmt. und es auf seine Weise paraphrasiert.
Mark Rothko, einem bildenden Künstler, von dem u. a. „Four Darks in Red“ stammt und der durch seine geometrischen zerfließenden Farbfelder bekannt geworden ist, widmet Andrea Veneziani eine seiner Kompositionen. Wie, so fragt man sich, kann man bildende Kunst in Musik übertragen? Muss die Musik fließen und zugleich stark strukturiert sein, um dem Werk Rothkos Genüge zu tun? Hören wir mal rein: Der Bass scheint in Dreiklängen gezupft. Kaskadenklang breitet sich aus. Soll das die verlaufende Farbe musikalisch umschreiben? Wir wissen es nicht. Nach der Einleitung durch Venezianis Basssolo folgt dann das „frühlingshafte Spiel“ von Kenny Werner. Rechteckiges Farbspiel stellt sich als Assoziation m. E. nicht ein. Man denkt, so meine ich, wohl eher an eine Fahrt in der Cable Car oder eine Fahrt mit dem Zug über das Viadukt des Semmerings. Sehr ausbalanciert erscheint in diesem Stück der „Dialog“ zwischen Kenny Werner und Andrea Veneziano. Monk? „Pannonica“ – und Plink, Plank, Plonk – das ist Monk. Letzteres meint dabei die besondere Spielweise von Monk, der Kenny Werner seine eigene entgegensetzt, aber hier und da durchaus auch Anleihen an Monks Duktus nimmt. Erstmals ist bei dem Monk-Stück auch der Schlagzeuger Ross Pederson mal nachhaltiger aktiv. Eher zum Ende von „Pannonica „zu vernimmt man den eher typischen Monk-Sound. Bei „Traffico“ hat man den Eindruck die Handabdrücke von Monk und Evans zu vernehmen. Mit „In Viaggio con Te“ beschließt das Trio das Album, das im Kern durch und un durch vom Geist Monks, Evans und Parker beseelt zu sein scheint.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
alessa records
http://www.alessarecords.at/jazz-art
Musiker
Andrea Veneziani
http://www.andreaveneziani.com
Videos
http://www.andreaveneziani.com/videos.php