Andrés Thor - Paradox
A
Self produced
Für sein aktuelles Album hat sich der isländische Gitarrist Andrés Thor mit nachstehend genannten Musikern zusammengetan: mit dem Pianisten Agnar Már Magnússon, dem Bassisten Orlando Le Fleming und dem Drummer Ari Hoenig. Aufgenommen wurden Kompositionen wie „Eden“, „Avi“ und „Quantum“ sowie „Tvísaga“, „Dal“, „Under Stars“ und als Schlussakkord „Paradox“.
Wer an Island denkt, denkt an eine eher karge, spröde Landschaft, denkt an vulkanische Aktivitäten, an Geisire, an heiße Quellen, an vulkanische Eruptionen und Gletscher. Auf diesem Hintergrund fragt sich der eine oder andere vielleicht, ob und, wenn ja, Thor dies in seiner Musik reflektiert. Doch bei den ersten Takten von „Eden“ vernehmen wir keine eruptiven Gitarrenklänge, sondern Kometenschweif gleichende Saitenspielerei, gefolgt von einem weichen Basssolo. Auch die nachfolgenden sehr melodiös ausgelegten Saitenklänge erinnern eher an sacht dahinfließende Wasser. Perlende Tastenstrudel sind im Nachgang zu hören. Wie ein sacht wehender warmer Sommerwind erscheint das, was wir bei „Avi“ hören. Lyrisch ausgerichtet sind sowohl der Pianist als auch der Gitarrist. Dabei meint man, hier und da scheine balladenhafte Popmusik durch. Auffallend ist, dass nicht nur im ersten Stück, sondern auch bei „Avi“ der Bass zeitweilig im Fokus steht. Dabei wird er von zarten Tastenklängen begleitet. Der Bass klingt nicht wie üblich erdverhaftet, sondern durchaus tänzelnd-schwebend.
Frühlingshafte Klangbilder zeichnen die Musiker, vor allem Andrés Thor, in der Komposition „Quantum“. Es scheint, als habe der Gitarrist das Schwirren und Summen von Insekten und das Gezwitscher von Vögeln eingefangen, die durch die Lüfte segeln. Alltagsschwere ist in weite Ferne gerückt, ebenso das Urbane. Rurale Idylle können wir uns beim Zuhören vorstellen. Hast ist abwesend. Ruhe und Entspannung sind angesagt. Das Spiel des Pianisten gleicht kleinen Stromschnellen im Verlauf eines Wiesenflusses, der künstlich aufgestaut wurde, um die Fließgeschwindigkeit zu erhöhen.
Lauscht man „Tvísaga“, so wird deutlich, dass Thor in der Tradition von Joe Pass, Jim Hall, Attila Zoller und anderen Gitarristen des Jazz steht. Thors Spiel ist nie überbordend und aufgesetzt. Die Schönheit des melodischen Flusses steht im Vordergrund. Dabei fußt das Spiel auch auf der Melange zwischen Rhythmusgruppe und dem Melodieinstrument Gitarre. Auffällig ist im vorliegenden Stück, das perlende Tastenspiel zu einem dezenten Schlagwerk, sobald die Gitarre mal nicht im Fokus steht. Wie in den Stücken zuvor, hat auch der Bass ein gewichtiges Wort bei der gestalterischen Form mitzureden. Dabei ist der Begriff des Frohlockens vielleicht zutreffend.
Als würde Thor eine romantische Landschaftsansicht malen, so klingt „Dal“. Es ist eine Landschaft nach dem Winter mit dem ersten Grün, das aufbricht, und dem ersten blauen Himmel mit Schäfchenwolken. Auf den Äckern wird die Saat ausgebracht. Auch van Goghs Felder kommen dem Hörer des Stücks in den Sinn, also ein grelles Gelb in allerlei Nuancen. „Paradox“ unterscheidet sich trotz des Titels nicht von den Klangfärbungen der übrigen Stücke des Albums. Einer Gouache mit Farbwischungen in Pastell gleicht das, was wir hören.
Text © Ferdinand Dupuis-Panther
Informationen
https://de-de.facebook.com/andres.thor.musician/?ref=page_internal
Reviews
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/a/andrés-thor-nordic-quartet/
https://open.spotify.com/album/3DAaWGbZZc8RyNnwVs8Zxp