André Meisner „Kreatur“
A
Mons Records, MR 874 538
„Creatio Ex Nihilo“ – geboren aus dem Nichts. So lautet der erste Titel auf dem vorliegenden Album. Doch die Schöpfung aus dem Nichts gibt es nicht, wenn es um einen künstlerischen, wohlüberlegten Prozess geht. Meisners Auseinandersetzung mit den Elementen Mensch, Maschine, Elektronik und Saxofon sowie den innewohnenden Verbindungen zwischen den Elementen gründet auf einem Konzept und wohl kaum auf einem Gedankenblitz.
Meisner selbst scheint sich als Chimäre, als Wesen aus Mensch und Saxofon, zu begreifen, betrachtet man das Cover des Albums. Auf diesem entsteigt der Künstler dem Trichter seines Saxofons. „Homunculus“ ein weiterer Titel des Albums verweist auf die künstliche Erschaffung eines Wesens. Mit der Beziehung Mensch und Maschine setzt sich expressis verbis zudem die Komposition „L'Homme Machine“ auseinander.
Die Songs des Albums leben von der Verknüpfung von Elektronik, Loops und Effekten mit dem „wahrhaftigen“ Saxofon-Sound. Es ist dabei anzumerken, dass das Album „Kreatur“ André Meisners Soloprojekt ist. Es zeigt nachdrücklich auf, wie man die Grenzen des Holzbläsers erweitern, vielleicht gar sprengen kann.
Glucksen und Gluckern vernimmt man zu Beginn der „Schöpfung aus dem Nichts“. Der Holzbläser ist auch im weiteren mehr Sprach- und Atemrohr, als dass denn der Tonbereich des Saxofons ausgereizt wird. Gebläse ist zu vernehmen. Zischen zu einem Bumbumbum dringt ans Ohr; Huahuähuahuä … und dann elektronischer Orgelklang folgen. Ist es ein Bläser, der den Klangteppich über die rhythmischen Strukturen legt? Endlich ist dann auch das Saxofon als Saxofon zu vernehmen. Sirenenhaftes verfliegt in der Tiefe des Raums. Stimmhaftes verbindet sich mit Tschtschtsch.
Bei „Espresso“ ist es ein elektronischer Gitarrenklang, der anfänglich die Hörfarbe des Stücks bestimmt. Perkussive Elemente werden nach und nach beigemischt. Dann erklingt das Saxofon, und man denkt an Funk in seiner Ursprungsform. „Move your arse“ and „Shake your hips“ scheinen die Aufforderungen zu lauten, auch angesichts der flotten Rhythmik der Komposition. Die Augen reiben sich gewiss viele Hörer, wenn sie den nächsten Titel lesen: „Izlazak Sunca“. Was meint das? Welche Sprache ist das denn? Ist es Bosnisch? Wenn ja, dann heißt es „Sonnenaufgang“. Doch warum verklausuliert Meisner seinen Track derart? Wir rätseln und spitzen die Ohren, weil wir gerne mehr von Meisners Sonnenaufgang in Erfahrung bringen möchten: Dumpfer Sphärenklang eröffnet das Stück. Der elektronische Bastelkasten bestimmt die Klangwelt, in die sich nach und nach ein hochgestimmtes Saxofon einbringt. Dabei hat man den Eindruck, das Saxofon sei sprichwörtlich der einsame Rufer in der Weite des Universums. Im letzten Drittel des Stücks kann man sich dann ganz und gar auf den reinen Saxofonklang einlassen, der mit Echo und Delays noch verstärkt wird.
Dialogisch strukturiert ist Meisners Song über den „Maschinenmenschen“ zu Beginn, wenn gleich zwei Saxofone zu uns „sprechen“, auch wenn nur ein Solist gegenwärtig ist. Die Technik macht halt fast alles möglich. Danach wird es eher poppig und rockig. Harte Beats liegen unter dem „säuselnden“ Saxofon. Ein Bass „orgelt“ im Hintergrund. Der Maschinenmensch bewegt sich staksig hin und her, so suggerieren es die Saxofonpassagen.
Lyrisch zu nennen ist der Beginn von „Für Immer“. Hierbei verzichtet Meisner auf technischen Schnickschnack und spielt nur mit sich selbst, dank sei der vorhandenen Loop-Maschine. Von der Harmonie und der Stimmung her wird man entfernt an das grandiose Concerto de Aranjuez erinnert, aber wirklich nur sehr entfernt. Die Bezeichnungen kammermusikalisch und konzertant sind auf dieses Stück wirklich treffend anzuwenden. Nachfolgend hören wir „Snelhalaya“, ehe Meisner uns aufzeigt, wie man etwas ad absurdum führen kann.
Was an diesem Album besonders überzeugt, ist die Bandbreite der Hörfarben und Klangwelten. Die verschiedenen musikalischen Schnipsel wurden in einer Art Collage zu einem Ganzen gefügt, ohne dass ein Stück dem anderen in seinen Klangmomenten nahekommt. Nein, Musik zum puren Chillen ist die Musik von Meisner nicht. Man muss nicht gänzlich verkopft an sie herangehen, darf jedoch den Kopf ruhig gebrauchen, um die Feinheiten der musikalischen Strukturen zu erfassen. Auf die Wahrnehmung der Nuancen kommt es nämlich an, will man die Performance von Meisner wirklich wertschätzen. Wird es mehr von André Meisner geben? Es ist zu wünschen.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Mons Records
http://www.monsrecords.de/index.php
Musiker
André Meisner
www.andremeisner.de
http://www.monsrecords.de/ausgabe.php?ausg=Andre-Meisner