Andi Kissenbeck's Club Boogaloo: Monsoon Dance
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Enja 9625 2
Groove und funky, funky – das sind die wohl zutreffenden Charakteristika des vorliegenden Albums. Dabei hat jedes der elf Stücke seine eigene Geschichte, die teilweise in dem beiliegenden „Booklet“ kurz angerissen werden. Das gilt für „Monsoon Dance“ genauso wie für „Berns Turn“. Der überwiegende Teil der Aufnahmen wurde von Andi Kissenbeck, dem „Magier an der Hammond B3“ komponiert. Doch auch NY State of Mind“, eine Komposition von Billy Joel, gesungen von Torsten Goods, dem Gitarristen der Band, findet sich auf der aktuellen Einspielung.
Neben Andi Kissenbeck, der an der Hammond ebenso Zuhause ist wie am Piano und Fender Rhodes, gehören zum Club Boogaloo der bereits erwähnte Gitarrist Torsten Goods, der Berliner Saxofonist Peter Weniger und der Schlagzeuger Tobias Backhaus. Aufgemacht wird das Album mit „Monsoon Dance“, entstanden während einer Asienreise, die teilweise ein Opfer der dort stets auftretenden Wetterkapriolen wurde. „Dancing in the rain“ stand also neben dem Komponieren auf dem Freizeitprogramm. Lauscht man dem Titel, so erhält man den Eindruck von schnell über die Straßen huschenden Fußgängern, die sich nur notdürftig unter Regencapes vor dem prasselnden Regen schützen können. Setzt dann Andi Kissenbeck mit seinem Solo an der Orgel an, so muss man dabei daran denken, während des stürmischen Dauerregens in einem Café zu sitzen und ganz gelassen den Regenschauer abzuwarten. Hier und da sieht man Kinder durch Pfützen tapsen und springen. Die Scheibenwischer der vorbeifahrenden Autos bewegen sich im gleichbleibenden Takt. Tropfen um Tropfen platschen auf den Asphalt. Der Strom der Autos scheint schier endlos.
„Ebony Jam“ suggeriert vielleicht vom Titel, dass Afrika auf Europa trifft. Ganz so scheint es nicht, auch wenn das Stück von einem sehr eingängigen starken Beat ebenso geprägt wird wie von einem sehr dynamischen Saxofonsolo, das just aus der Welt von Rock n' Roll und Blues entsprungen sein könnte. Wer dabei und beim anschließenden Orgelsolo nicht mehr als nur mit den Füßen wippt, der hat selbst schuld. Hier muss man wirklich seinen Hintern bewegen und die müden Knochen ausschütteln. Dass es bei diesem einen Mal nicht bleibt, das kann ich versprechen. Man denke dabei an die Eingangsworte: groovy und funky.
Mit „Berns Turns“ verneigt sich Andi Kissenbeck vor dem Gitarrist Peter Bernstein, dem dieses Stück gewidmet ist. Sehr balladenhaft mutet „Blessed Bliss“ an, ein Stück, bei dem das Tempo etwas herausgenommen wurde. Man könnte meinen, es sei extra fürs Tagträumen verfasst worden. Tiefenentspannt sind die Zuhörer am Schluss der Komposition gewiss. Die Hektik ist vergessen. Ist man auf einer Alm in den Bergen, ohne Internet und Smartphone-Empfang, und genießt die Weite und die Menschenleere? Dass die Komposition während einer Fastenkur bei 40 Grad entstand und sich in ihr ein Sekundenmoment von Glückseligkeit bündelt, weiß nur derjenige, dem Andi Kissenbeck diese Geschichte verraten hat.
Was man aus einer Falschmeldung musikalisch machen kann, zeigt sich in „Dead Diver“. Gemeldet wurde, dass man nach einem verheerenden Feuer in Kaliforniens Wäldern einen Toten in Tauchausrüstung gefunden habe. Sollte dieser beim Wasserschöpfen versehentlich in den Löschsack geraten und beim nachfolgenden Löschen ausgeschüttet worden sein?Alles Legende und frei erfunden, aber wie Andi Kissenbeck meinte, unbedingt ein Anlass für diesen „erfundenen Helden“ einen Song zu schreiben. Auch in dieser Komposition überwiegen die eher leise und gemäßigt gesetzten Töne. Dabei fällt es vor allem Peter Weniger und Andi Kissenbeck zu, im gemeinsamen Spiel starke melodische Akzente zu setzen.
Zwischen Blues und Ballade bewegt sich „NY State of Mind“, geprägt von der wunderbaren Stimme von Torsten Goods, der sich in seinem Timbre teilweise deutlich vom „Ratpack“, sprich Frank Sinatra und Konsorten, und anderen männlichen Jazzvokalisten abhebt. Zugleich versucht Goods nicht, sich stimmlich an bekannten Blues-Barden wie B. B. King anzulehnen. Goods ist eben Goods – und das kann man nicht genug Wert schätzen.
Zum Schluss wechselt Andi Kissenbeck das Instrument und überrascht mit einer sehr gelungenen Klavierweise, mit der „Still a Light“ aufmacht. Nach dieser Einleitung setzt sich das lyrische Spiel fort, wenn auch dann Peter Weniger am Saxofon Regie führt. Irgendwie scheint aus meiner Sicht auch der „Mond ist aufgegangen“ mitzuschwingen. Interpretiert man die Komposition in narrativer Form, dann könnte man an eine nächtliche Segelpartie denken, bei der die Leuchtfeuer und der Sternenhimmel für das einzige Licht sorgen. Tatsächlich ist diese Komposition ein Nachruf an Kissenbecks Vater, wie aus dem Booklet zu entnehmen ist. Anregung für die Titelwahl war der Beatles-Song „Let it be“ mit der Zeile „There's still a light that shines on me“:
Auffallend ist die gekonnt inszenierte Dramaturgie des Albums, das sehr groovy und funky beginnt, aber dann auch die leisen Töne anstimmt, balladenhaft wirkt und gerade im letzten Stück sich hin ins beinahe „Choralhafte“ bewegt. Sehr gelungen!
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Enja
http://www.enjarecords.com
Musiker
Andi Kissenbeck
http://www.kissenbeck.org