Analogue Birds – Live
A
Umlaut Records
Nein, analoge Musik macht das Dreigespann von Analogue Birds nicht. Auf Effekte wird ebenso wenig verzichtet wie auf eine verzerrte E-Gitarre und gurgelnde Didgeridoos. Für Nu Beatz, für Ekstase und Crossover sorgen Tom Fronza (Didgeridoos, Keys, Percussion, Bass, Live-Loops), Alexander Lipan (Gitarre, Oud, Effekte) und David Bruhn (Drums). Traditioneller Coroboree und die Musik der australischen Ureinwohner haben, wenn überhaupt, nur am Rande Einfluss auf die „analogen Vögel“, die sich als bunte musikalische Vögel erweisen. Ob man die Musik als Weltmusik bezeichnet oder als Jazz Rock oder als Nu Jazz im weitesten Sinne, ist eine Frage der Betrachtung und der Etikettierung, die zumeist fehlgeht. Wer traditionelle Musik der ersten Australier und deren rockige Adaptationen hören will, greift auf Alben der Warumpi Band, von Archie Roach, Emily Wurramara, Kev Carmody oder von Yothu Yindi zurück. Analogue Birds ist unter Umständen als Ethno-Rock-Band zu bezeichnen, indigener Rock spielt die Band nicht. Das ist den o.g. Aborinal-Bands vorbehalten. Dass Muster traditioneller Aboriginal-Musik bei Analogue Birds einfließen, ist durchaus festzustellen. Doch das paart sich mit aktuellem Rock einschließlich Techno-Beats, mit elektronischer Musik, mit Post-Ska und Post-Punk, oder?
Ungewöhnlich ist gewiss die Instrumentierung, vor allem die unterschiedlich gestimmten Didgeridoos, deren Klangspektrum sich aufgrund von zirkulierender Atmung voll entfaltet. Insoweit tanzt die Band aus der Reihe und verlässt das gängige Einerlei. Ansonsten stehen die drei Musiker in der Tradition westlicher Rockmusik.
Auf dem Album „Live“ finden sich Songs wie „Benefits III Gotten“, „Cyber Sufi“, „La Luce“ und „Rock'n Roll“. Auf einem beinahe samtenen Klangbeet, das aus Tastenimpulsen besteht, erhebt sich das dunkle Timbre eines Didgeridoo und die an Funk denken lassenden Gitarrenlinien. Ja, auch das Wimmern und Jaulen der E-Gitarre gehört zur weiteren Klangcollage, ebenso das treibende Schlagwerk. Atemluft zirkuliert unablässig durch das Blasrohr, das bisweilen gurrt und röhrt, ehe dann die E-Gitarre den melodischen Fortgang bestimmt. Ein Klangwettstreit zwischen E-Gitarre und Didgeridoo entwickelt sich im Weiteren. Transparenz verheißt das Saitenspiel von Alexander Lipan. Zwischen House und Techno verharrt Tom Fronza am Blasrohr, das man schnappen, schnalzen und gurren hört.
Ein Schelm, wer bei dem Song „Capitulizm“ „Kapitalismus“ denkt. Zu Beginn kann man denken, das Trio habe auch eine Posaune oder ein anderes Horn im musikalischen Gepäck. Was danach klingt, hat wohl mit eingespielten Effekten zu tun. Fein in den gesetzten Zäsuren ist der Rhythmus. Irgendwie ist auch Surf Sound im Song versteckt, wenn auch nicht im Sinne der Beach Boys, sondern eher von John Zorn. Tom Fronza lässt sein Didgeridoo sirren und schwirren. Ab und an drängt sich der Eindruck man, dass Analogue Birds durchaus auch ein Faible für Dire Straits haben. Stillstand gibt es nicht. Wippende, zuckende tanzende Körper muss man sich zur Musik denken, deren Basslinien geradezu körperlich sind, dank ans Didgeridoo, dessen sonorer Klang durch Mark und Bein geht.
Durchaus redundante Strukturen weist „Cyber Sufi“ auf, sodass man aufgrund der gehörten Klangmodule gewissermaßen in Trance verfällt. Das ist in diesem Fall vor allem Tom Fronza und dem Didgeridoo, aber auch dem Schlagwerk zu verdanken. Schnurren und Schnarren füllt den Raum, und der Gitarrist verführt durch orientalisch anmutende Klangbilder. Spielt er nicht dabei arabische Laute? Jaktationen sind vorstellbar, schneller und schneller werdend; auch der Tanz der Derwische von Konya kommt dem einen oder anderen beim Zuhören in den Sinn.
Perkussiv wird „La Luce“ eröffnet und dann vernimmt man eine Ud, eine arabische Laute, die in tieftönigen Sphären zu Hause ist. Im Gegensatz zu anderen Saiteninstrumenten ist der Nachklang der Ud gering. Zudem hat die Ud im Klang durchaus Ähnlichkeit mit einer Schalenhalslaute, Rubab genannt. Dumpfe Beats sind auszumachen, ehe sich dann E-Gitarre und Didgeridoo im Klangtanz vereinen. Hier und da erinnert das Didgeridoo vom Klang her an einen Zikadenschwarm und an ein Heer umherschwirrender Hummeln. Rollende Rhythmik umfängt uns ebenso wie Triumphschreie aus dem Blasrohr, das zwar durchaus im Fokus steht, aber dabei nicht aufdringlich wirkt. Zum Schluss heißt es „Rock'n Roll“. Das hat dann aber nichts mit Elvis oder Bill Haley gemein, sondern ist eine Fortschreibung des Duktus, der auch in allen anderen Stücken von Analogue Birds vorhanden ist. So wie Albert Mangelsdorff in seine Posaune sprach, so spricht Tom Fronza ins Didgeridoo, um tonale Zirkelschläge zu erzeugen. Dabei entwickelt sich das Stück durchaus in Richtung sphärischer Musik.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
https://www.analoguebirds.com
https://www.analoguebirds.com/js_videos/benefitts_ill_duo/