Allira Wilson / Harry Mitchell / Ben Vanderwal / Karl Florisson - I Am Like The Rain
A
ABC Jazz
The Music of Paul Simon.
Jazz-Adaption von Beatles- oder Rolling Stones-Songs gibt es schon einige und nun auch Songs von Paul Simon, der über Jahrzehnte mit Art Garfunkel zusammen auf der Bühne stand. Legendär ist die Musik, die Simon für den Film „Die Reifeprüfung“ (The Graduate) schrieb. Aus diesem Film mit Dustin Hoffman stammt der Song „Mrs Robinson“. Im Film ließ Mrs. Robinson ihre sexuellen Reize spielen, um den Jüngling ins Bett zu bekommen, den Dustin Hoffman verkörpert. Doch zu den bekannten Kompositionen Simons gehören auch „The Sounds of Silence“, „Graceland“ und „50 Ways To Leave Your Lover“. Nun haben sich vier Musiker aus Down Under der Song-Klassiker von Simon angenommen. Da ist zum einen die Sängerin Allira Wilson, der Pianist Harry Mitchell, der auch für die Arrangements verantwortlich zeichnete, der Drummer und Perkussionist Ben Vanderwal und schließlich der Bassist Karl Florisson. Als Gäste des Quartetts hören wir bei einigen Songinterpretationen die Gitarristen Carl Morgan und Harry Winton.
„Kathy's Song“ deutet schon an, dass wir zwar nicht das Timbre von Art Garfunkel erwarten können, aber eine teilweise gehauchte Singstimme, die aus dem Vollen erwächst und den teilweise sentimentalen Stimmungen gerecht wird, die das Duo Simon & Garfunkel in ihrer Musik zum Ausdruck bringen. Und dann folgt eher im Stil von Singer/Songwriter gehalten „Mrs Robinson“. Distinkt sind die auch im Bass ruhenden Pianopassagen, die sich nicht als flüchtig erweisen. Stattdessen sind sie das musikalische Fundament, über das Allira Wilson ihre lyrischen Zeilen legt. Eingebunden in den Vortrag ist auch ein Basssolo, mit dem das Thema paraphrasiert und dabei von einem redundanten Tastenspiel begleitet wird. Teilweise sind im Verlauf des Stücks auch nur die Vokalistin und der Pianist zu hören. „Bleecker Street“ lebt auch von den feinen Gitarrenfäden, die durch den Song gewoben werden. Im Vordergrund steht musikalisch jedoch der Gesang, wenn es auch rein instrumentale Passagen gibt. In diesen meint man, der Musik von „The Ventures“ sehr nahe zu sein, was den Gitarrensequenzen zu verdanken ist. Wenn auch Allira Wilson nicht in jeder Phase die Höhen ausformt, wie dies Art Garfunkel gelungen ist, so ist das gut so. Sie erschließt sich die Musik des legendären Popduos auf ihre Art. Dabei ist das lyrische Moment auch stets für die begleitende Band wesentlich. Aufgenommen wurde außerdem „Still Crazy After All These Years“. Beim Zuhören drängt sich der Eindruck auf, hier und da sei Joni Mitchell oder Marianne Faithful präsent. Harry Mitchell hat bei diesem Song Gelegenheit, sein kaskadierendes Tastenspiel in einem Solo vorzustellen. Das klingt nicht verwässert und dahinfließend, sondern eher wie ein gebündelter Malstrom. Im Übrigen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass im Vortrag auch ein wenig Country mitschwingt. Das gilt vor allem bei „Baby Driver“.
„Me and Julio Down by the Schoolyard“ ist ebenso zu hören wie „The Sounds of Silence“. Zu dem hier und da wispernden Gesang hören wir ein Klickklickklick des Drummers und eine getragene Klavierbegleitung. Im Solo scheint sich Harry Mitchell dann gänzlich vom Thema freizuschwimmen und eigene Klangrinnsale zu gestalten. Auch „Fifty Ways to Leave Your Lover“ gehört zum Repertoire des Quartetts um Harry Mitchell. Dabei wird deutlich, dass dieser wie andere Songs von Art & Garfunkel den Zeitgeist der 1960er Jahre verkörpern. Es ist eine Zeit, in der Folk-Rock hoch im Kurs stand, will sagen, Songs zu doch recht einfachen Klampfenakkorden. Welch Unterfangen also, diese Musik in die Gegenwart zu transportieren, ohne den Charakter des Originals vollständig zu ignorieren. Vielleicht wäre in einer rein instrumentalen Einspielung die Versuchung nicht so groß, dass man das Original mit der Interpretation vergleicht. Am ehesten gelingt dem Quartett das Freischwimmen vom Original mit den Songs, bei denen auch die beiden Gäste an der Gitarre zu hören sind. Das gilt namentlich auch für „Scarborough Fair.“ Man lausche in diesem Song aufmerksam den sehr rockig ausgelegten Gitarrenpassagen. Fazit: Immer dann, wenn im Arrangement Raum für Solos der Instrumentalisten geschaffen wird, bekommen die Songs ein neues jazziges Gewand.
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