Alf Häggkvist: Blue Serge (solo piano)
A
Losen Records
Seit 1992 ist der an der Musikhochschule in Malmö ausgebildete, schwedische Pianist in Stockholm beheimatet. Ohne Umschweife gibt er zu, dass Pianisten wie Keith Jarreth, Bill Evans und John Taylor ihn ebenso beeinflusst haben wie der Trompeter Kenny Wheeler. Die Natur und das Leben an sich, einschließlich der Wechselfälle des Lebens und die Jahreszeiten sind für Alf Häggkvist die wichtigsten Quellen der Inspiration für seine Improvisationen, dabei durchaus einem gewissen Lyrizismus verfallend.
In seinen eigenen Werken lotet der schwedische Pianist die Grenzen zwischen Jazz und klassischer Musik aus, was auch auf seinen Duktus abgefärbt hat. Dabei ist sein energievolles und sehr akzentuiertes Spiel schon auffällig, egal ob er nun Standards wie „Stella by Starlight“ oder sein eigenes Werk „Freely Done“ vorträgt. Die Präparierung des Klaviers und das direkte Spiel mit den gespannten Saiten ist eine Facette des variantenreichen Spiels von Alf Häggkvist, das Sprunghaftigkeit und Galoppaden wie in „Freely Two“ einschließt.
Man stelle sich einen Springbrunnen vor, der in Intervallen sein Wasser mal niedrig und mal hoch aufsteigen lässt. Wenn man dieses Bild vor Augen hat, dann findet man die musikalische Entsprechung in „Fluffy“, ein Stück, dass sich im weiteren Verlauf auch in ein kleines Rinnsal verwandelt. Geplätscher von Wasser bleibt aber durchgehend eine Assoziation, die nicht nur die Spielweise Häggkvist, sondern auch Harmonien und Melodienfluss geweckt wird.
Werden da die Saiten des geöffneten Klaviers gezupft oder mit einem Stöckchen angeschlagen? Man könnte es meinen, spitzt man zu Beginn von „Freely One“ die Ohren. Saiten scheinen auch gedämpft worden zu sein, denn sie hallen nicht nach, bis auf ein paar Bass- und Diskanttöne. Bisweilen meint man, man höre ein slawisches Hackbrett. Lyrisches Spiel sucht man vergeblich. Freie Musik dringt ans Ohr des Zuhörers, der eine Klangcollage serviert bekommt. „Dissonantes“ ist darin ebenso eingeschlossen wie ein nervöses Spiel, das anmutet wie das gedämpfte Röhren eines Malstroms. Welch Kontrast zu den Standards, die uns Alf Häggkvist präsentiert!
Zu den präsentierten Standards gehören neben dem oben genannten Stück von Victor Young unter anderem „There Is No Greater Love“ und „Autumn Leaves“, das Alf Häggkvist aber längst nicht so melodramatisch angelegt hat, wie es vielfach sonst zu hören ist. Allerdings lässt auch er vor unseren Augen einen Herbst der tanzenden bunten Blätter erscheinen, jedenfalls suggeriert das sein flinkes Fingerspiel. Dass die dunkle Jahreszeit vor der Tür steht, merkt man dem munter-bewegten Spiel nicht an. Im Gegenteil, Häggkvist lässt einen tonalen Whirlpool entstehen; melodische Fontänen scheinen auf uns niederzugehen. „Beautiful Contrast, Crystal Clear“ (comp. A. Häggkvist) folgt diesem Standard. Mit betonter Basshand, über die sich perlende Kaskaden ergießen, beginnt dieses Stück. Getragen ist es, ohne allerdings schwermütig zu klingen. Gerade auch in dieser Komposition scheint die Klassik sehr nahe, die allerdings immer wieder gebrochen und aufgebrochen wird. Rollende Klangwellen sind wahrnehmbar. Kristallenes – also das Spiel im Diskant – ist eher eine Ausnahme, auch wenn der Songtitel das suggeriert. Man könnte eher an kleine Stromschnellen und klares Wasser denken, lauscht man dem Stück. Vielleicht ist auch das Bild eines Quellgebiets angemessen, um die Musik begreifbar zu machen. Zum Schluss heißt es „Blue Serge“. Das Stück stammt von dem amerikanischen Komponisten und Trompeter Mercer Ellington, Sohn von Duke Ellington, der mit seinem Orchester auch „Blue Serge“ eingespielt hat. Dieser Standard klingt nach Broadway und nach Filmmusik zugleich, wenn ihn Alf Häggkvist vorträgt. In der Melodielinie passt er sehr gut zu den anderen Ikonen des Great American Songbook, die gleichfalls Eingang in dieses Album gefunden haben.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Losen Records
http://www.losenrecords.no
Musiker
Alf Häggkvist
http://www.kulturnavet.se/homesite/Grupper/Alf_Haggqvist/Alf_Haggqvist.htm