Alex Hendriksen & Fabian Gisler - The Song is You
A
ezz-thetics
Auf der Suche nach dem Reinen Klang steht auch unplugged zu spielen, sich ganz und gar auf die Möglichkeiten von Tenorsaxofon und Kontrabass einzulassen, jenseits von Verstärkungen und einfach auf die Akustik des Raums einzulassen. So scheint das Credo der beiden Schweizer Musiker, die aktuell ein Album vorlegen, das weitgehend mit Kompositionen von Strayhorn und Monk angereichert ist. Zentral war beiden Musikern die Auswahl von Stücken, die eine Erzählstruktur haben. Zitieren wir nachstehend den Tenorsaxofonisten Alex Hendriksen, um die musikalische Position des Duos zu beleuchten: “Getting the story across is a big one for me personally,“ … “we look for song material that speaks to us and makes us want to tell our stories. And Strayhorn just has so many beautiful stories that I can relate to in many a way.” Bei den oben genannten Musikern, Thelonious Monk und Billy Strayhorn, der für das Duke Ellington Orchestra viele Songs beigesteuert hat, beließ es das Schweizer Duo nicht. Jeweils ein Song von Victor Young, Harry Warren und Richard Whiting sowie Michel Legrand ist auf dem Album auch zu finden.
Auf dem Sterbebett schrieb Billy Strayhorn, dessen Kompositionen vielfach Duke Ellington zugeschrieben werden, den Song „Blood Count“. Strayhorn war unheilbar an Krebs erkrankt, als er 1967 diesen Song als Ballade und für Altsaxofon zu Papier brachte. In der vorliegenden Duoaufnahme bündelt sich die Tragik und Tragödie, die Billy Strayhorn notierte. Getragen ist das, was wir hören. Weich gezeichnet sind die Linien des Tenorsaxofons. Dumpfe Basstöne sind dazu eingestreut. Vom Charakter her liegt der Vergleich mit einem Lamento sehr nahe. Überzogen könnte man formulieren, dass man gleichsam die letzten Atemzüge des tödlich erkrankten Billy Strayhorn miterlebt. „You must believe in spring“ ist dem Jazzpianisten und Komponisten Michel Legrand zu verdanken und wurde auch in Bill Evans' gleichnamigem Album veröffentlicht. Zeilen wie „When lonely feelings chill /The meadows of your mind/ Just think if Winter comes ...“ müssen wir uns beim Vortrag des Schweizer Duos mitdenken. Im Gegensatz zum Eröffnungsstück erleben wir helle Klangfärbungen und man meint, ein funkelndes Frühlingsgrün aufkeimen zu sehen. Da streichen die Passagen, die Hendriksen seinem Holzbläser entlockt, wie ein sanfter Frühlingswind um die Zuhörer. Und auch der Bassist Fabian Gisler verlässt in einem Solo partiell seine Erdung und versteigt sich zu feinstem Saitenzupfen. Man meint beim Zuhören, einen Springbrunnen vor dem geistigen Auge zu sehen. Nachfolgend nimmt uns dann der Tenorsaxofonist auf kleine Fluchten mit.
Monk hinterließ als sein Erbe unter anderem „We see“. Diese Komposition stammt aus dem mit Sonny Rollins und Frank Forster eingespielten Album „Monk“ aus den 1960er Jahren. Auch wenn kein Klavier mit im Spiel ist, so kann man aus dem Spiel des Duos den typischen Monk-Stil des Pling und Plong herausfiltern. Sehr bewegt, ohne up tempo zu sein, kommt der Song daher. Man meint, beide Musiker würden eilig Seite an Seite unterwegs sein. Und wie in den zuvor erwähnten Stücken bietet auch „We see“ die Gelegenheit zu einem Basssolo, teilweise auch in einem kurzen Zwiegespräch mit dem Saxofonisten. „Love letters“ (comp Victor Young) wird mit einem beinahe kaskadierenden Basssolo aufgemacht. Dabei scheint es, als ob Fabian Gisler die Melodielinien mitsummt. Beschwingt ist das Spiel von Alex Hendriksen. Dazu vernimmt man das redundante Basszupfen, während dessen der Saxofonist die Bodenhaftung aufgibt. Es scheint, als wolle er uns vermitteln, dass Liebe Flügel verleiht.
Was erzählt uns der Saxofonist in „Chelsea Bridge“ (comp Billy Strayhorn)? Sind es Geschichten von den Menschen, die jeden Tag die Brücke passieren? Musikalisch erleben wir einen steten Klangfluss. Nichts deutet auf Eile und Hektik im Sinne von Rush hour hin. Irgendwie scheint eine gewisse Gelassenheit in dieses Stück eingeflossen zu sein. Beim Zuhören muss man an die sogenannte blaue Stunde denken und an Nachtschwärmer die im Morgengrauen nach Hause schlendern. „Lulu's back in town“ (comp Harry Warren) erblickte 1935 das Licht der Welt und gilt als Popsong jener Zeit. Zu hören war dieser unter anderem in dem Musikfilm „Broadway Gondolier“. Wer beim Zuhören an „Sweet Georgia Brown“ denkt, liegt nicht falsch. Der Komponist Warren lehnte sich teilweise an diesen Song an. Swingadaptationen folgten in den 1940er Jahren. Das Schweizer Duo setzt instrumental die nachstehenden Zeilen brillant und in Anerkennung des Originals um: „Gotta get my old tuxedo pressed, /Gotta sew a button on my vest, / Cause tonight I’ve gotta look my best, / Lulu’s back in town“.
In ähnlichem musikalischem Fahrwasser wie „Lulu ist wieder da“ schwimmt „Ask me now“ (comp Th. Monk). Ein eher rhythmisch aufgelegter Bass trifft auf die samtenen Klangschleifen des Saxofonisten. Dabei erleben wir einige welligen Schraffuren des Klangs und einen in sich ruhenden Bass, der gegen Ende des Stücks auch zum Solo ansetzt. „My little brown book“ (comp Billy Strayhorn) vermittelt durch das präsentierte Spiel des Saxofons beinahe Anmutungen einer Klarinette. Ist da nicht auch eine bluesige Einfärbung des Stücks vorhanden? Ob Hendriksen wohl auf den Spuren von John Coltrane wandelt, der 1962 gemeinsam mit Ellington diesen Titel für ein Vinyl-Album aufgenommen hat? Abgerundet wird das aktuelle Duo-Album mit dem 1930 erstmals aufgenommenen Song „My ideal“. Dieser wurde später unter anderem von Chet Baker, Sonny Rollins und Saurah Vaughan eingespielt und nun auch von Hendriksen/Gisler! In Zeiten der Überreizungen ist das Album als ein Album der eher stillen Einkehr zu bezeichnen, was auch an der „minimalistischen Instrumentierung“ liegt. Wer also Ruhepunkte im Alltag sucht, der möge sich in das Album „The Song is you“ vertiefen.
© ferdinand dupuis-panther
Infos
https://www.jazzhalo.be/reviews/concert-reviews/muensterland-festival-alex-hendriksen-fabian-gisler/
http://www.radioswissjazz.ch/de/musikdatenbank/musiker/197218d4985b29a6f9c34b4ecadd81511b7d67/titel