Adrian Cunningham – Jazz Speak
A
Arbors Records
Über den aus Sydney stammenden, nunmehr in New York lebenden Saxofonisten, Klarinettisten und Flötisten Adrian Cunningham sind folgende Kurzbeschreibungen zu lesen: "Indispensable to New York's jazz scene" (Hot House Magazine, New York), "The Down Under Sax Star" (The Wall St Journal) oder "Adrian Cunningham’s clarinet playing saved the day for me." (The Star, Johannesburg).
Der aus Australien stammende Multiinstrumentalist wurde 2017 mit dem Hot House Saxophone Award ausgezeichnet. Seine Band Professor Cunningham and His Old School, die traditionellen New Orleans Jazz pflegt, gewann den World Jam, (Madrid 2016, 2017) und den Best Band Award im Jahr 2017 auf dem Harlem Festival (Vilnius, Lithuania). Cunningham war und ist aus der Szene New Yorks nicht wegzudenken und war unter anderem schon mit Wynton Marsalis, Wycliffe Gordon, Jon Batiste, George Coleman Jr and Jazz luminaries Jeff Hamilton, John Clayton, Chris Potter und Renee Marie zu hören.
Das vorliegende Album „Jazz Speak“ hat Cunningham mit einem Quartett eingespielt, bestehend aus Ted Rosenthal (piano), John Clayton (bass) und Jeff Hamilton (drums). Aufgenommen hat dieses Quartett Kompositionen wie „The Source“ (A. Cunningham), „Mood Indigo“ (Barney Bigard, Duke Ellington) sowie weiteren Kompositionen Cunninghams wie „Getting Down Upside“, „Rachel’s Dance“ und „Appalachia“. Auch Bechets „Petite Fleur“ und das Titelstück des Albums „Jazz Speak“ sind im Weiteren zu hören. Mit Don Walkers „Janelle“ wird das Album beschlossen.
Bei den ersten Takten von „The Source“ umweht den Zuhörer ein schmeichlerischer Klang des Saxofons, das nach und nach mehr und mehr in den Fokus rückt, dabei nie auftrumpfend oder im Klang ausfallend, sondern die gesamte Klangbreite der Holzbläser präsentierend. Nicht lang gezogene Klangschleifen sind zu vernehmen, sondern auffrischende Saxofonwinde. Danach lässt der Pianist stufige Kaskaden hören, derweil der Rest der Rhythmusgruppe sich durchaus einem gewissen Swing verpflichtet fühlt. Kurz nur ist das Basssolo, ehe dann der Saxofonist in eine Art Jive-Modus verfällt. Ganz anders ist das zweite Stück des Albums gestrickt, in dem Cunningham an der swingenden Klarinette zu erleben ist: „Let’s Fall In Love“. Vor unserem geistigen Auge erscheinen beim Hören Paare, die sich im Lindy Hop austoben, mit und ohne Überschlag und Eindrehern. Perlend ist das Spiel des Pianisten, der nur wenig die Basshand zum Einsatz bringt, dafür aber, um im Bild zu sprechen, einen schnell strömenden Bach in Klangmuster umsetzt. Hier und da sind auch als Intermezzo kurze Trommelwirbel ins Stück eingestreut worden. Intermezzo bleibt auch das Basssolo im letzten Drittel des Stücks. Irgendwie musste der Rezensent während des Hörens fortwährend an Benny Goodman denken. Zufall?
„Mood Indigo“ heißt es im Anschluss. Getragen kommt das Stück daher. Lauscht man dem Klarinettisten Cunningham könnte man an Wehmut denken, die zum Ausdruck gebracht wird. Enttäuschungen scheinen gleichfalls aus der Melodie zu sprechen, die wir hören. Irgendwie scheint es dabei eine gewisse Nähe zu „Petite Fleur“ zu geben, oder? „Getting Down Upside“ ist aus der Feder von Cunningham. Schnurrend erhebt das Saxofon das Wort. Hin und wieder wird es auch kurz mal ausfallend, ehe es in einen sonoren langwelligen Modus verfällt. Im Weiteren hat man den Eindruck, Cunningham hätte auch etwas für Rock’n’ Roll übrig, den er allerdings verfeinert und verfremdet. Zugleich meint man, dass aus dem Saxofonspiel auch ein wenig Funk durchscheint, oder? Selten geworden ist Jazz mit einer Flöte als Leitinstrument. Cunningham versteht sich auch darauf in „Rachel’s Dance“ die richtigen Flötentöne anzustimmen, weich gehaucht und bisweilen auch in einer Art explodierendem Stakkato. Angesichts der Dominanz des Saxofons in Jazz allgemein, schafft es Cunningham durch sein Flötenspiel eine besondere Klangfärbung zu präsentieren. Insbesondere beim Tastenspiel von Ted Rosenthal meint man, auch Soul dringe an unsere Ohren und bisweilen sei Ray Charles mit seinem akzentuierten Spiel als geistiger Pate zugegen. Übrigens an Cunninghams Flötenspiel können wir uns nochmals erfreuen, wenn „Tempus Fugit“ zu hören ist.
Auch „Appalachia“ hat Cunningham für das Album komponiert. Die „Appalachen“ sind ein Gebirgssystem im Osten der Vereinigten Staaten und bekannt für einen Langwanderweg quer durch diese Landschaft. Hm, da spielt doch das Quartett einen irischen Reel. Auf das Tap Dancing muss der Hörer allerdings verzichten. Dieser Reel wird dann in einen veritablen sehr flotten Swing aufgelöst, der vor allem dem Klarinettenspiel Cunninghams zu verdanken ist. Und was hat das mit der besagten Gebirgsregion zu tun?
So wie eine Trüffelpraline auf der Zunge nach und nach zergeht und die Geschmackszellen kitzelt, so verhält es sich in ähnlicher Weise mit Bechets „Petite Fleur“. Wenn man so will, hat man bei diesem sehr lyrisch angelegten Stück die Vorstellung, der sonore Klang der Klarinette vergehe langsam und schmelze gleichsam wie ein süßlicher Zuckerguss dahin. Nachhaltig im Gedächtnis bleibt bei dem Arrangement des Stücks auch das Solo des Bassisten, der seinen Tieftöner mit dem Bogen streicht und zum melodramatischen Schwingen bringt. „Jazz Speak“ ist gleichsam das Motto des Albums und entstammt der Feder von Adrian Cunningham. Dieses Stück scheint ein wenig dem Hard Bop zu frönen, oder? „Janelle“ heißt es dann zum Schluss des gelungenen Albums, das an die Tradition von Bop und Cool Jazz anzuknüpfen scheint.
© ferdinand dupuis-panther
Infos
https://adriancunningham.com/welcome-197f7e92-6277-47a6-abab-2501ecc91c85
https://www.professorcunninghamjazz.com
https://www.abc.net.au/jazz/featured-music/feature-albums/feature-preview-adrian-cunningham/11672150