Aadal – Lost Songs

Aadal – Lost Songs

A

Apollon Records Prog

Die 2007 in Kristiansand gegründete Michael Aadal Group war ein Sextett. Aus diesem erwuchs für die aktuellen Aufnahmen ein Quartett namens Aadal, das wie auch das Sextett Jazz mit Rock und Americana verschneidet, um einen besonderen musikalischen Blend zu schaffen. Hier und da meint man, aus der Musik Dire Straits und deren Filmmusik „Local Hero“ herausfiltern zu können, oder? Doch auch andere Assoziationen aus der Geschichte des Rocks drängen sich auf. Dazu unten mehr. Zur Band gehören:· der Gitarrist Michael Aadal, der Saxofonist André Kassen, der Bassist Audun Ramo und der Trommler Gunnar Sæter.

Aadal nimmt uns mit auf eine Reise durch die Hochflächen und die Fjorde Norwegens, ohne dabei ins Fahrwasser des sogenannten Fjord-Sounds abzugleiten, der dem Saxofonisten Jan Gabarek geschuldet ist. Ja, es gibt wohl so etwas wie ein spezifisches skandinavisches Flair im Jazz und Jazz Rock. Zu diesem haben neben Gabarek, aber auch Mathias Eick und Terje Rypdal ganz wesentlich beigetragen.

Aadal bereitet auf dem jünsten Album Klangmelangen zu, die uns in die norwegische Wildnis entführen, in Landstriche, in denen der Blick nicht durch das Urbane verstellt wird, ins Dovrefjell und nach Rondane. Dabei sind die vier Musiker unterwegs auf melodischen Pfaden. Es sind Klangverdichtungen, die wir beim Hören erleben. Da scheint es hin und wieder so, als würden Bass und Saxofon zu einer Einheit verschmelzen. Transparenz ist angesagt, wenn Michael Aadal in die Saiten seiner akustischen Gitarre greift. Man meint gar, man gleitet mit einem Gleitschirm durch die Lüfte, vermittelt der Gitarrist durch sein Spiel doch klangliche Thermik. Schwerelos und losgelöst sind zwei Adjektive, die sehr treffend die Musik umreißen.

Joel Wilkens schreibt in seinen Liner Notes u. a. : "The release of Aadal’s sophomore record presents a challenge to the established jazz regime. In one sense, it eschews much of the convection associated with the genre. While in another light, it throws down.. not the gauntlet, exactly, but perhaps the tailored glove, with melodic innovations, insisting we discover a new vocabulary to interpret the way in which music evolves and how to classify it. The composition here, song after song, holds the hint of a threat to tradition.. and is at its most rewarding when you leave behind any preconceived notions before embarking.“

„Lost Songs“ nennt der Bandleader Michael Aadal das Album. Dabei scheint es so, dass er nicht scheut, sich in die Genres Filmmusik und West Coast Rock zu begeben. Weiche Linien sind es, die in der Musik zum Tragen kommen. Ab und an meint man gar beim Hören tanzende Polarlichter vor seinem geistigen Auge zu sehen.

Die musikalische Reise spannt sich von „No Man`s Land“ über die „Great Divide“ bis in die Woodlands. Eingeschlossen darin sind Tracks wie „Streams“ und „Dawning“. Bereits bei den ersten Saiten-Klängen von „No Man’s Land“ werden wir in eine Landschaft mitgenommen, die sich mit roten Felsen bis zum Horizont erstreckt. Man könnte auch an bizarre Klippenformen denken, wie man sie im Norden Irlands findet oder an den Geirangerfjord im Licht der aufgehenden Sonne. Oder  sollten wir eher an Preikestolen denken, über den sich die Sonne senkt, wenn man den Weichzeichnungen des Saxofons und die rollenden Trommel-Verwirbelungen wahrnimmt. Besonders hervorzuheben ist der Ansatz des Saxofonisten, der seinen Holzbläser hier und da in die Nähe einer Klarinette rückt. Sonores steht im Vordergrund. Darunter liegen die dunklen Schattierungen des Bassisten, sodass sich eine harmonische Einheit bildet. Und in der Ferne hört man zudem das Rauschen des Baumlaubs im Wind.

Beinahe wie die Rhythmen einer Street Marching Band klingt der Schlagwerker zu Beginn von “The Compass“. Danach ergießt sich der Klangstrom des Gitarristen, der in den Welten von Crosby, Nash and Young ebenso wie The Eagles zu Hause zu sein scheint. Und ja, auch ein wenig Mark Knopfler scheint gelegentlich  mit im Spiel. Der Verzicht auf eine wimmernde, weinende, jaulende E-Gitarre ist überaus zu begrüssen. Statdessen vereinen sich akustische Gitarre und Bass zu einem Zwiegespräch. Und man fragt sich während des Stücks,  welche Richtung uns der Kompass weist. Geht es gen Lofoten oder ans Nordkap, geht es nach Tromsö und das Polarlicht im März? Überlassen wir dies einfach unserer Fantasie.

Hören wir da tatsächlich zartes Plätschern von Wasser, das stromabwärts rinnt? Man könnte so etwas denken, wenn man sich den Titel des Tracks namens „Streams“ vergegenwärtigt. Und da zeichnet nicht der Drummer das Bild eines Klippensturzes, von einer Kette von Kaskaden. Dabei für kurze Momente vom Solo des Bassisten begleitet. Doch im weiteren bestimmt Michael Aadal mit seinem Saiteninstrument die Klangfärbungen. Glitzernde Punkte auf der Wasseroberfläche, Kehrwasser und Stromschnellen sind es, die Aadal evoziert, oder? Von der Attitüde her scheint „The Hunter“ durchaus als Ballade oder gar langsamer Country Song durchzugehen. Von den Harmonien und dem Duktus her mag man auch an einen langsamen Walzer denken, der an Midsommernacht von einigen Paaren auf den Dielenbretter hingelegt wird. Momente des Ballroom Dancing sind nicht ganz von der Hand zu weisen, oder?

„The Great Divide“ zieht sich von Alaska über die Rocky Mountains nach New Mexico und ist zugleich die Wasserscheide zwischen Pazifik und Atlantik. Und auch dieser hat sich das Quartett musikalisch angenommen. Sehr rockig durchtränkt erscheint dieses Stück. Greatful Dead und Allman Brothers lassen grüssen, oder? Nebelschwaden des Klangs zelebriert der Saxofonist  André Kassen. Feinstes Saitengespinst erleben wir obendrein. Und hören wir da nicht das Getrappel von Hufen wilder Pferde? Und ja, gerade bei diesem Stück scheint auch „Local Hero“ präsent zu sein. Schließlich geht es in die „Woodlands“. Welche Wälder  gemeint sind, bleibt dabei offen. Aber auch dieses Stück ist ein melodiöser Leckerbissen, ein Ohrenschmaus. Flackert da nicht zudem Lagerfeuerromantik und Singer/Songwriter auf?

Fazit: Es ist Musik zum Träumen und zum Wegträumen aus der Wirklichkeit, die uns die vier Musiker bescheren!

© ferdinand dupuis-panther




Infos

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