„Ich bin kein Musiker, nicht einmal Noten lesen kann ich, und der Quintenzirkel ist für mich mehr Quantenphysik als Musik. Ich bin, was Theorie und persönlich ausgeübte Praxis angeht, komplett unmusikalisch.“ So bekennt es der Autor dem Leser gegenüber. Doch das hat den nicht daran gehindert, eine sehr unterhaltsame und tiefgründige Geschichte rund um den Jazz zu verfassen. Diese Geschichte ist die Lebensgeschichte eines Jungen aus dem Pott, der den Traum, einmal Jazzmusiker zu sein und seinen Idolen wie Miles Davis, Cannonball Adderley und John Coltrane nachzueifern, für sich realisiert. In gewisser Weise ist der Roman auch ein Soziogramm einer Region, die einst von Stahl und Kohle geprägt war.
Doch was verbindet den Autor mit der Region und dem Jazz? Als er 14 Jahre alt war, so entnehmen wir es dem Buchklappentext, entdeckte er den Jazz im Musikunterricht. „Ich habe begonnen, Jazz im Radio zu hören, Platten zu kaufen, in Konzerte zu gehen und in Clubs.“ Man kann also von Stefan Sprang als einem Jazzliebhaber sprechen, der, das beweist der vorliegende Roman, mit schönen Wortbildern Musik zu beschreiben versteht. Dass dabei die Giganten des Jazz mit ihren brillanten Kompositionen wie „So What“ (Miles Davis), „Giant Steps“ (John Coltrane), „My Funny Valentine (Chet Baker 4tett) oder aber „Fly Me to The Moon“ – übrigens ein Lieblingsstück des Romanhelden, Saxofonisten und Musiklehrers Fred Kemper – wichtige Impulse für den Roman gaben, beschreibt der Autor in seinem sehr ausführlichen Nachwort. Wäre diese Zusammenstellung musikalischer Hits des Jazz nicht Anlass genug, mal wieder Standards und Songs des Great American Songbooks zu hören?
Bevor die Romanhandlung in den 60er/70er Jahren im Ruhrpott seinen Anfang nimmt, stoßen wir auf einige Zitate, die der Autor vorangestellt hat. Nachdenkenswertes ist da zu lesen: „Jazz ist Zärtlichkeit und große Gewalt" (Getrude Stein) oder „Wenn du nichts in deinem Kopf hörst, dann spiele nicht“ (Miles Davis).
Mit dem Blick auf Schlote, auf die Kokerei, auf eine Steinmetz-Werkstatt wächst Fred Kemper auf. Kohlenhalden gibt es dort und Schienenstränge, auf denen Güterbahnen unablässig unterwegs sind. In diesem Milieu erlebt Fred Kemper auch die erste Begegnung mit Jazz, der aus einem geöffneten Fenster an sein Ohr dringt. Ein blechernes Instrument nimmt er wahr, mit tiefem Ton beginnend und dann seufzend. Hinzukommen ein Schlagzeug, metallisch klingend, und ein Klavier. „Fred sah Pferde vor sich auf der Galopprennbahn, auf die er ab und an mit seinem Vater ging. Wie sie durcheinanderliefen und sich aufbäumen.“ Das ist eines der Bilder, die der Autor einsetzt, um Musik in Bildsprache zu übertragen und so anschaulich werden zu lassen. Musik ist, so der Autor, eine Erzählung, eine Geschichte, die erzählt wird, auch unter Umstände eine traurige, die vielleicht in einem September stattgefunden hat. So beschreibt der Autor die ersten Hörerlebnisse seines Romanhelden.
Es ist ein gewisser Paul Mittelstädt, der dem jungen Fred die Tür in die Welt des Jazz öffnet. Mittelstädt gehört der Laden mit Radio- und Fernsehgeräten am Marktplatz. „Jazz haben Sie zu hören geruht. J-A-Z-Z. … Gespielt vom einmaligen und unvergleichlichen Mister John Coltrane.“ Dieser war längst nicht mehr in den Jazzclubs dieser Welt unterwegs, sondern spielte „in der großen All-Star-Jazzband im Jenseits sein Saxophon.“ Dieses Instrument packte Fred vom ersten Moment des Hörens an. Es war klar, nur dieses Instrument wollte er spielen. Doch bis dahin war es ein weiter Weg, auch ein weiter Weg zu einer eigenen Band, zu Auftritten, bei denen „You Don't Know What Love Is“ gespielt werden sollte.
Der Weg von Fred führte zur Miles Davis' klingender Bibel „Kind of Blue“, was Paul Mittelstädt geschuldet war. Auch „So What“ war ein Meilenstein für die Hauptfigur des Romans, die am Ende erklären konnte, was genau geschah: Davis, Coltrane und Adderley „entgegneten auf die Bassfigur mit einer punktierten Viertelnote. Darauf folgte eine Achtelnote swingend phrasiert.“
Dank Paul Mittelstädt konnte Fred Kemper außerdem in ein Paralleluniversum mit Chet Baker und Bird Parker eintauchen. Auch seine Tante Ria verstand im Gegensatz zu Freds Vater und Mutter seine Liebe zum Jazz. Sie schenkte ihm die LP „Giant Steps“ (Coltrane) und „Round About Midnight“ (Miles Davis), gewiss ein guter Anfang.
Freds Weg zum Jazz war nicht allein begleitet vom Spielen in einer eigenen Band und einem Musikstudium. Es ist auch ein Weg des Scheiterns als Musiker, ein Weg zu einer Familie und einer unerfüllten Liebe zu Lilli. Es ist der Weg weg von der Bühne in den Schuldienst, wenngleich doch die Bühne das ist, was Fred Kemper eigentlich immer wollte. Doch das ungesicherte Leben als Musiker passte nicht zu Reihenhaus und Familie. So wurden die Träume aus dem Alltag verbannt, bis sie am Schluss des Romans doch die Oberhand gewinnen. John Coltrane statt Leistungskurs Musik in der Oberstufe – das war zu entscheiden, und Fred Kemper entscheidet sich am Ende für John Coltrane. Diese Entscheidung fällt in Oslo, wohin Fred gefahren ist, um seine alte Liebe Lilli wiederzusehen. Sie war als Vokalistin der Bühne stets treu geblieben. Eine gemeinsame Zukunft schloss sie jedoch bei der Begegnung mit Fred aus. So muss Fred allein zu neuen, alten Ufern aufbrechen. Es war für Fred ein befreiender Entschluss. Fazit: Lesenswert, auch und gerade wegen der sehr schönen Metaphern und Bilder, die der Autor benutzt, um Jazz in Worte zu kleiden.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
http://www.vonneruhr.de/
Stefan Sprang: Fred Kemper und die Magie des Jazz - Roman über den Jazz und seine Faszination, 256 Seiten, gebunden, 14,90 €,
Heselowsky Boschmann Verlag, ISBN 978-3-942094-16-0
In case you LIKE us, please click here:
Hotel-Brasserie
Markt 2 - 8820 TORHOUT
Silvère Mansis
(10.9.1944 - 22.4.2018)
foto © Dirck Brysse
Rik Bevernage
(19.4.1954 - 6.3.2018)
foto © Stefe Jiroflée
Philippe Schoonbrood
(24.5.1957-30.5.2020)
foto © Dominique Houcmant
Claude Loxhay
(18/02/1947 – 02/11/2023)
foto © Marie Gilon
Pedro Soler
(08/06/1938 – 03/08/2024)
foto © Jacky Lepage
Special thanks to our photographers:
Petra Beckers
Ron Beenen
Annie Boedt
Klaas Boelen
Henning Bolte
Serge Braem
Cedric Craps
Christian Deblanc
Philippe De Cleen
Paul De Cloedt
Cindy De Kuyper
Koen Deleu
Ferdinand Dupuis-Panther
Anne Fishburn
Federico Garcia
Jeroen Goddemaer
Robert Hansenne
Serge Heimlich
Dominique Houcmant
Stefe Jiroflée
Herman Klaassen
Philippe Klein
Jos L. Knaepen
Tom Leentjes
Hugo Lefèvre
Jacky Lepage
Olivier Lestoquoit
Eric Malfait
Simas Martinonis
Nina Contini Melis
Anne Panther
Jean-Jacques Pussiau
Arnold Reyngoudt
Jean Schoubs
Willy Schuyten
Frank Tafuri
Jean-Pierre Tillaert
Tom Vanbesien
Jef Vandebroek
Geert Vandepoele
Guy Van de Poel
Cees van de Ven
Donata van de Ven
Harry van Kesteren
Geert Vanoverschelde
Roger Vantilt
Patrick Van Vlerken
Marie-Anne Ver Eecke
Karine Vergauwen
Frank Verlinden
Jan Vernieuwe
Anders Vranken
Didier Wagner
and to our writers:
Mischa Andriessen
Robin Arends
Marleen Arnouts
Werner Barth
José Bedeur
Henning Bolte
Erik Carrette
Danny De Bock
Denis Desassis
Pierre Dulieu
Ferdinand Dupuis-Panther
Federico Garcia
Paul Godderis
Stephen Godsall
Jean-Pierre Goffin
Claudy Jalet
Chris Joris
Bernard Lefèvre
Mathilde Löffler
Claude Loxhay
Ieva Pakalniškytė
Anne Panther
Etienne Payen
Jacques Prouvost
Yves « JB » Tassin
Herman te Loo
Eric Therer
Georges Tonla Briquet
Henri Vandenberghe
Iwein Van Malderen
Jan Van Stichel
Olivier Verhelst