Ohne Frage, wer Bandoneon hört, denkt an traditionellen Tango und zugleich an Tango Nuevo, wie ihn Astor Piazzolla zu spielen pflegte. Doch kaum jemand kennt die Geschichte des Instruments, dessen Wurzeln in der einstigen Seidenweberstadt Krefeld zu finden sind. Ohne den Cellisten und Instrumentenhändler Heinrich Band gäbe es das Bandoneon wohl kaum. Er ließ aus dem sächsischen Akkordion ein Instrument konzipieren, das auch ungeübte Laien aufgrund von Tastenknöpfen mit Zahlenangaben schnell zu spielen erlernten. Über Jahrzehnte sprach man im Rheinland vom Bandoneon auch vom Klavier des kleinen Mannes. Der Instrumentengeschichte, aber auch der Familiengeschichte der Bands geht die vorliegende üppig illustrierte Veröffentlichung nach. Dabei vereinen sich die Stadt- und Industriegeschichte Krefelds mit dem Aufstieg der Familie Band, die alsbald nicht nur in Krefeld geschäftlich tätig waren, sondern auch im rheinischen Köln.
Heinrich Band © Wikipedia
Das Bandoneon ist wie das Akkordeon ein sogenanntes Zuginstrument. Doch statt Akkorden erklingen beim Bandoneon aufgrund des Tastendrucks nur einzelne Töne. Ursprünglich entwickelt wurde dieses Instrument in Wien, erfuhr aber in Waldheim und in Chemnitz weitere Verfeinerungen. Und was hat das alles mit Krefeld zu tun, wo im 19. Jahrhundert die von der Leyens und von Beckeraths die Geschicke der Stadt bestimmten? Für diese Fabrikanten arbeiteten die Krefelder Seidenweber, die in wenig angesehenen Teilen der Stadt heimisch waren. Sowohl die Seidenfabrikanten und die Kaufleute, die mit Seidenwaren Handel trieben, als auch die Weber waren jeweils auf ihre Art durchaus Musik affin. Die Oberschicht Krefelds engagierte eigens Musiklehrer für die Ausbildung des Nachwuchses. In Krefeld entstanden der Orchesterverein Concordia und die Liedertafel, dank des Musiklehrers Johann Nikolaus Wolff. Im Zusammenhang mit dem Musikleben in der Stadt muss auch Jacob Geul genannt werden, der Schwager von Peter Band, der sich mit einem Instrumentenhandel selbständig gemacht hatte. Doch im Gegensatz zu den Konzertabenden der Oberschicht organisierte Geul Tanzveranstaltungen im Freien für die Weber und die sich etablierende Mittelschicht der Stadt. Auch einige Mitglieder der Familie Band mischten im Musikleben der Stadt mit, so der Cellist Heinrich Band und der Flötist Conrad Band.
Heinrich Band begann 1841 mit dem Handel von Noten und später von Instrumenten. Dazu nutzte er von Beginn an geschaltete Anzeigen, die er im „Intelligenzblatt für Crefeld“ veröffentlichen ließ. Entsprechende Faksimile sind in der vorliegenden Veröffentlichung vorhanden. Heinrich Band schrieb nicht nur Kompositionen für Akkordien, sondern handelte auch mit diesen in Sachsen hergestellten Instrumenten, aus denen sich das Bandoneon entwickeln sollte. Band ist auch die Erweiterung der Tonvielfalt des Instruments zu verdanken, denn er ließ nach und nach Instrumente bauen, die nicht nur 22 Tasten für 44 Töne besaßen, sondern 30 für 60 Töne. Entwickelt wurden diese Instrumente bis zum Jahr 1860. Ab 1850 konnte man von dem Vorhandensein eines Bandoneos mit eigener Tastatur sprechen, das Heinrich Band konzipiert hatte.
Ganz ausführlich befasst sich die Autorin mit der Tastatur und dem Erscheinungsbild des Bandoneon (bisweilen auch Bandonion!) und natürlich auch mit Bands „Practischer Schule“, einem Standardwerk für Bandoneon. Dazu gehört auch die Instrumentenkunde für Bands 88töniges Instrument. Das bedeutete, dass Brands Instrument nunmehr über einen Umfang von mehr als drei Oktaven verfügte! Wesentlich für die Übungsstücke war, dass den Noten jeweils Ziffern zugeordnet waren, die sich auch auf den Knopftasten des Bandoneons befanden. Also nicht malen, sondern musizieren nach Zahlen war angesagt.
Heinrich Band war in Krefelder Zirkeln nicht allein ein gern gesehener Musiker, sondern sein Instrumentenhandel boomte. Die Oberschicht verlangte nach Pianinos und schicken Tafelklavieren, typische Saloninstrumente der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dass das Bandoneon, eines aus Kirschbaumholz und 100tönig seinen Weg in die Neue Welt fand, ist Wilhelm Seyffarth zu verdanken, einem Spross aus einer sehr angesehenen Krefelder Familie. Er wagte den Sprung über den Großen Teich und ließ sich per Schiffsfracht ein Bandsches Instrument nach New York senden. Von dort aus verliert sich dann aber die Spur des Bandschen Bandoneons.
Edle Hölzer und schmuckvolles Balgpapier waren damals en vogue und Heinrich Band versorgte seine Kunden mit entsprechenden Instrumenten, wie man einem Katalog von 1857 entnehmen kann. Dass uns die Spurensuche nach der Entwicklung des Bandoneons auch nach Waldheim an der Zschopau führt, ist kein Zufall, ließ Heinrich Band doch dort seine Instrumente produzieren. Auch nach Chemnitz reichten Bands Geschäftsbeziehungen. Hier war es der Instrumentenfabrikant Christian Friedrich Reichel, der sich auf den Bau des Zuginstruments verstand. Im Chemnitzer Adressbuch veröffentlichte Reichel übrigens Abbildungen seiner Instrumente.
Umtriebig waren die Bands stets, überschritten die enge Stadtgrenze Krefelds und etablierten sich dank Johann Band auch am Rhein. Auf Erfolgskurs steuerte das Familienunternehmen, als er in Mainz den Notendruck ausführen ließ. Diese Geschichte der Kooperation mit dem Verlag C. E. Hickethier ist ein gesondertes Kapitel vorbehalten. Zur Verbreitung des Bandoneons und der entsprechenden Literatur trug u. a. Heinrich Geul bei, der sich in Dordrecht in den Niederlanden niederließ. Ein dortiger Instrumentenhändler vertrieb Bandoneons, die er aus Köln bezog. Heinrichs Sohn, Alfred Band, so ist zu lesen, erweitere den Kundenstamm der Familie und begründete eine Massenbewegung des Bandoneonspiels. Auch dieser Entwicklung der Familiengeschichte wird in dem vorliegenden Band detailliert nachgegangen.
Wie bereits oben angedeutet, wird auch der Rolle des Bandoneons in argentinischen Tango-Orchestern beleuchtet, liest man über Pedro Laurenz und Pedro Maffia, zwei Legenden des Tangos. Ihnen verdanken wir den berühmten Tango „La Cumparsita“. Ganz wichtig war beim Tango der 1920er und 1930er Jahre der Balgaufschlag. Jeder Bandoneonspieler setzte dabei eigene rhythmische Akzente, ob nun Carlos di Sarli oder Anibal Troilo. Die in Argentinien gebräuchlichen Bandoneons stammten nun nicht aus dem Hause Band, sondern waren als Double A bekannt, d.h. aus dem Hause Alfred Arnold. Und auch das Unternehmen Hohner vertrieb Bandoneons und Akkordeons auf dem argentinischen Markt.
An dem Tangosänger Carlos Cardel kommt kein Beitrag zur Tangomusik vorbei, so auch nicht die aktuelle Veröffentlichung. Ein Lied über das Bandoneon findet sich ebenfalls in der sehenswerten Abhandlung: „Bandoneon der Vorstadt“ mit Zeilen wie „Bandoneon, weil du siehst, dass ich traurig bin, du weißt, dass meine Seele von Kummer gezeichnet ist. …“
1946 machte dann Astor Piazzolla, ein junger Bandoneonspieler von sich reden. Schnell avancierte er zum Star des Szene. Bei Piazzolla rückte das Bandoneon in den Fokus, war mehr als nur Melodie- und Rhythmusinstrument, zeigte sich solistisch und ohne orchestrale Begleitung, man denke u. a. an die Komposition „Adios Nonino“. Doch der Tango ist auch mit dem Namen des Pianisten Gustavo Beytelmann verbunden, dem es, so lesen wir, ganz wesentlich um die Entfolklorisierung des Bandoneons ging.
Sehr spannend und dicht in den Aussagen, sind die abgedruckten O-Töne aus der argentinischen Bandoneonwelt, ob von Martin Sued oder Milagros Caliva. Schließlich sei auch auf die aufgezeichneten Werkstattbesuche bei Instrumentenbauern wie Ana Maria und Julia Weckesser verwiesen, die den Leser in die Welt des Bandoneons eintauchen lassen. Dass das Bandoneon auch wieder seinen Weg nach NRW gefunden hat, wird in dem Abschnitt „Route NRW – Das Bandoneon auf dem Weg zurück nach Krefeld“ hervorgehoben. Zum Abschluss sei auf das Kapitel „Schatzkästen“ verwiesen, das sich mit der Chronologie der Bandoneon-Entwicklung beschäftigt.
© ferdinand dupuis-panther
Förderverein für das Kulturbüro der Stadt Krefeld e.V. / Janine Krüger: Heinrich Band - Bandoneon, Die Reise eines Instruments aus dem niederheinischen Krefeld in die Welt, Klartext Verlag, ISBN 978-3-8375-1970-9, Preis 29,95 Euro
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