Ulla Oster – Gespräch mit der in Köln beheimatete Kontrabassistin

Schaut man sich die Biografie von Ulla Oster an, dann wird man feststellen, dass sie nicht Kontrabass im Hauptfach an der Musikhochschule Köln studierte, sondern Klavier und zudem noch Germanistik an der Universität Köln. Ich traf mich mit ihr anlässlich eines Konzerts der Band Christina Fuchs No Tango in der Black Box im cuba (Münster) zum Gespräch.

Deine veröffentlichte Biografie setzt mit dem Studium ein und lässt die Zeit davor außen vor. Wie kam die Entscheidung zu einem Musikstudium zustande? Germanistikstudium mit der Perspektive höheres Lehramt?

UO: Mit dem Musikstudium hat es sich einfach so ergeben. Ich habe schon früh mit dem Klavierspielen angefangen, als höhere Tochter, ja sagen wir mal das Bildungsideal, „aus gutem Hause“. Ja, ich habe Klavier und Geige gelernt. Das konnte ich ganz gut und habe gedacht, ich studiere etwas mit Musik. Das hieß damals ja erst einmal für mich, Musiklehrerin zu sein. Für eine Karriere als Pianistin war ich nicht gut genug. Ich habe auf Lehramt am Gymnasium mit Musik und Deutsch studiert.

Wenn ja, warst du eher von klassischer Musik oder von Jazz umgeben?

UO: Nee, nee, nichts mit Jazz. Das war ein wirklich klassisches Studium.

Germanistik zu studieren hatte mit dem höheren Lehramt zu tun?

UO: Ja, man musste ja immer zwei Fächer machen.

War das eine reale Perspektive für dich?

UO: Ich wusste damals erst einmal so richtig nichts anderes. Es war irgendetwas, was ich mit Musik machen wollte, wie gesagt, weil ich das konnte. Ich bin ja jetzt schon eine ältere Generation. Damals war das auch so, dass Lehrer nicht so eine gute Perspektive hatten – wobei, Musiklehrer hätten trotzdem eine gehabt –, und ich habe es erst einmal gemacht, wie das so ist, wenn man aus der Schule kommt. Ich habe das Studium auch zu Ende gemacht, und das mit dem Jazz kam erst danach.

Klavier scheint ein nahezu klassisches Instrument, das du studiert hast. Dennoch hast du dich dann dem Kontrabass, einem Großmöbel der Musik, zugewandt. Warum?

UO: Das ist eine Frage des Werdegangs. Ich habe zum Beispiel in der Schulzeit nie in irgendwelchen Bands gespielt. Pop oder Rock oder Rock 'n Roll habe ich nie gemacht. Es ist interessant, dass das Mädchen auch gar nicht näher gebracht wurde und dass sie damals auch nicht gefragt wurden. Erst nach meinem klassischen Studium habe ich angefangen, in einer Frauenrockband zu spielen. Dann habe ich mir so einen E-Bass geschnappt und mir gesagt, es kann doch nicht so schwer sein und spiele ein bisschen mit. Ich habe daran Spaß gefunden und habe gemerkt, eigentlich interessiert mich auch Jazz. Das will ich mal lernen. Das habe ich nie richtig verstanden, wie geht das, was machen die da, und ich fand, es war gut; dann habe ich Lunte gerochen und habe angefangen, mich mehr dafür zu interessieren. Und dann ist der Kontrabass auch nicht mehr weit.

Hat der Kontrabass auch eine besondere physische Präsenz, und ist das Spiel auf diesem Viersaiter besonders physisch? Liegt das dir?

UO: Ja.

Ist dein Spiel sehr physisch?

UO: Das kann ich selber natürlich nicht so richtig sagen. Ich habe das Gefühl, dass da was zu mir gekommen ist, was gut zu mir passt. Ich bin ja relativ kräftig. Ich habe schon Kraft und bin schon gerne auf dem Boden geerdet. Ich empfinde relativ rhythmisch. Das ist schon ein starkes Element beim Bass. Dadurch ist es schon ziemlich nahe für mich, und da ich mal ein Streichinstrument, die Geige, gelernt habe, ist der Bass nicht so weit weg davon. Es gibt verschiedene Ebenen, auf denen ich Zugang zum Bass gefunden habe.

Meine Frage zielte eigentlich auf das real Physische, auf das Lehnen an einem Korpus als wichtiges Detail des Spielens.

UO: Das empfinde ich nicht so. Ich bin, glaube ich, kein Bläsertyp. Das macht mir keinen Spaß, ein Instrument an die Lippen oder in den Mund zu stecken, irgendwie. Ich bin schon eher jemand, der mit den Händen und nahe am Körper arbeitet. Es ist schon schön mit dem Bass, der so nahe dran ist. Ich habe noch nicht so wirklich darüber nachgedacht, ehrlich gesagt.

Zumeist agieren Kontrabassisten im Hintergrund und sind selten im Fokus der Bühnenpräsenz. Ich wähle als Charakterisierung von Bassisten bewusst den Begriff des Introvertierten im Gegensatz zum Expressiven eines Saxofonisten. Daher: Entspricht dieses Instrument also deinem Naturell, deiner persönlichen Struktur?

UO: Ja, entspricht dem schon. Ich glaube, nicht ohne Grund suchen sich Leute Instrumente oder kommen Instrumente zu Leuten. Das hat schon was mit einem selber zu tun. Du bist als Bassistin für das Fundament zuständig. Du musst zuverlässig sein. Du bist zwar nicht vorne im Fokus. Du musst aber eine starke Bühnenpräsenz haben, die allerdings nicht so am Publikum ausgerichtet ist.

Kontrabassistinnen sind im Jazz sehr selten vertreten. Es gibt ja eh schon ein Missverhältnis zwischen weiblichen und männlichen Musikern in welchem Musikgenre auch immer. Im Jazz scheint es auch an der Folkwang Universität sehr viele Frauen zu geben, die Vokalistinnen und weniger Instrumentalistinnen werden wollen. Schaut man sich zum Beispiel die Liste der Kontrabassisten auf Wikipedia an, so übertrifft der männliche Anteil den weiblichen Anteil von Bassisten bei Weitem. Dein Name findet sich neben Steve Swallow, Oscar Pettifort, Scott LaFaro, Mark Dresser, Niels-Henning Ørsted Pedersen, Charles Mingus, Charlie Haden etc. Gibt es dafür einen Grund, von der Ausbildung und von der Attitüde der Hochschulen her?

UO: Meistens liegt das ja schon vor der Hochschule. Vor der Hochschule muss ja schon etwas passiert sein, dass die Leute im Laufe ihres jungen Lebens entdecken, ich will dieses sperrige Instrument spielen. Das ist ja heutzutage auch nicht so modern. Das passiert ja leider nicht so oft. Es ist leider immer noch so, dass Frauen dieses Bild ja gar nicht so sehr suchen. Der Kampf mit dem Instrument ist für viele ganz fremd. Übrigens erinnere ich dich an Esperanza Spalding, die kennst du. Die ist ja jetzt nicht besonders kräftig. Die ist halt dünn und zäh, macht das aber ganz toll. Es ist also nicht unbedingt eine Frage der Physis, dass man das nicht könnte. Es ist einfach nicht im Blickfeld vieler Frauen; Klavier dann vielleicht eher oder Blasinstrument oder Flöte. Es ist schon körperlich harte Arbeit, aber das kann man schon bewältigen.

Liegt es vielleicht auch daran, dass es an den Hochschulen wenig Förderung gibt und man eher dazu neigt, die Tradition der Jazzvokalistinnen von Ella bis Nina Simone zu pflegen? Entspricht das dann eher dem „Frauenbild“?

UO: Wenn Frauen sich an den Hochschulen bewerben und Kontrabass studieren wollen, glaube ich schon, dass die unterstützt werden. Das war in den 70er und 80er Jahren schwieriger. Dass man das als Frau studieren kann, das wird schon gestützt. Dass Mädchen motiviert werden, im Schulorchester zu spielen, das ist wohl weniger der Fall.

Ist das Instrument besonders „männlich“?

UO: Das glaube ich nicht. Was bei Frauen seltener zu finden ist, ist die körperlich-rhythmische Seite. Für Frauen ist die rhythmische Arbeit nicht so selbstverständlich, die sich stark über den Körper ausdrückt. Am Schlagzeug und am Bass musst du dafür sehr viel tun. Du kannst dich nicht oben darübersetzen, sondern musst fundamental arbeiten. Ich weiß nicht, ob man das männlich oder weiblich nennen kann, aber es erfordert eine bestimmte Kraft und Energie. Das ist eine Energie, die relativ viel Körperlichkeit von dir fordert.

Kannst du dich erinnern, wann du erstmals mit Jazz in Berührung gekommen bist?

UO: Mit Jazz in Berührung gekommen bin ich schon als Jugendliche. Da habe ich auch Sachen in der Kleinstadt gehört, wo ich herkam. Da habe ich es aber eben nicht richtig verstanden, was es heißt zu improvisieren. Dass ich die Entscheidung für den Jazz getroffen habe, das hat sich einfach so entwickelt, da ich mich nach dem klassischen Studium weiterentwickelt habe, relativ schnell gelernt habe und zum Glück durch den klassischen Hintergrund manche Sachen schnell begreifen konnte. Harmonielehre war dann nicht mehr allzu schwierig. Mein Umfeld hat mich auch unterstützt. Es war damals auch nicht angesagt, dass man seine Karriere so genau plant, sondern es waren Zeiten, da hat man es gemacht, und es war alles möglich.

Du hast dich also nicht an Bassisten wie Mingus und anderen orientiert und dir gesagt, in die Richtung will ich auch gehen?

UO: Ich habe mir natürlich dann viele Bassisten im Zuge meiner Studien angehört. Dass mich Bassisten speziell begeistert haben, kann ich eigentlich nicht sagen.

Worin sahst du und siehst du die Herausforderung im Jazz im Vergleich zu notierter klassischer Musik?

UO: Es gibt eine Herausforderung, die gilt für beide Seiten, dass du nämlich unglaublich diszipliniert in die Materie einsteigen musst. Die Herausforderung beim Jazz finde ich – das wissen die Leute zumeist nicht –, dass man eine bestimmte Leistung vollbringen muss - handwerkliche Fähigkeiten und eine bestimmte Virtuosität - und dass du dann auch noch im Moment damit umgehst, dass du es nicht abspielst, was du lange geübt hast, sondern im Moment die Ideen kommen und du dabei noch Teil eines Verbundes bist. Das ist schon sehr viel gleichzeitig.

Wie siehst du deine Rolle als Bassistin in einem Ensemblekontext? Agierst du mit deinem Instrument eher rhythmisch, eher harmonisch oder eher melodisch?

UO: Es kommt natürlich auf die Musik an, die man macht. Ich sehe mich nicht als die Supersolistin. Es gibt Leute, die spielen ganz tolle Soli. Ich bin eher im harmonisch-rhythmischen Bereich. Ich versuche aber daran zu arbeiten, aber es gibt andere, die sind eher die Solistentypen. Das bin ich nicht.

Wie wesentlich ist das viel zitierte Great American Songbook für dich?

UO: Das ist immer ein guter Aufhänger, um zu üben, zu lernen, wie man das begleitet und wie man über die Akkorde spielt. Das gehört jetzt noch dazu und macht ja auch Spaß. 2007 habe ich auch eine Platte mit Standards gemacht. Also insoweit sind die ja auch immer noch lebendig.

Du hast jüngst ein Ensemble mit dem Namen .git init gegründet. Was verbirgt sich hinter dieser Band?

UO: Das hatte ich immer schon mal im Kopf, dass ich mit Gitarren was machen wollte, mit zwei Gitarren. Das soll relativ kraftvoll sein. Das soll auch laut sein. Das hatte ich mir vorgenommen, eine fette Band zu machen, die aber auch relativ virtuos sein soll. Das hatte ich immer mal im Hinterkopf, und dann hatte ich letztes Jahr die Chance, das anzufangen.

Ich danke dir für das Gespräch.

Interview und Fotos: © ferdinand dupuis-panther

Informationen

Homepage Ulla Oster
http://www.ulla-oster.de/

Konzertbericht Christina Fuchs No Tango
http://www.jazzhalo.be/reviews/concert-reviews/christina-fuchs-no-tango-am-12032016-in-der-black-box-cuba-muenster-jazz-today/


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