Matthias Akeo Nowak: Interview mit dem Kölner Kontrabassisten

Während der 17. Emsdettener Jazztage ergab sich die Möglichkeit, nach dem Konzert von triosence mit dem Bassisten Matthias Akeo Nowak zu reden, der nicht allein bei triosence am Bass steht, sondern auch mit dem eigenen Ensemble namens Koi Trio in Sachen Jazz unterwegs ist.

 

Du spielst mit triosence in einem Trio. Du spielst in einem eigenen Trio. Ist das eher ein Zufall oder für dich die ideale Formation?

M.N.: Das ist eher Zufall. Das Trio ist sicherlich eine besondere Konstellation. Das Klavier-Trio ist ja gleichsam das Streichquartett des Jazz, wenn man so will. Größere Ensembles interessieren mich genauso. Dass mein Trio ein Trio geworden ist, hängt damit zusammen, dass ich so angefangen habe, Musik zu machen, mit Schlagzeug, Gitarre und Bass. Das lag mir sehr nahe. Mit der Gitarre habe ich noch mehr Ausdrucksmöglichkeiten, so durch Soundänderungen. Ich mag den Gitarrensound sehr gerne.

Das ist ja nicht die klassische Besetzung, die ja aus Klavier, Bass und Schlagzeug besteht. Das bedeutet, dass das Klavier das Harmonieinstrument ist und die beiden anderen die Rhythmusunterfütterung sichern. Bei triosence gibt es für dich sehr große eigene Anteile an der Musik, besonders bei den Solos. Ist mein Eindruck richtig, dass Ihr bei triosence sehr gleichberechtigt aufspielt und gleiche Anteile bei der musikalischen Umsetzung habt?

M.N.: Durch die Livekonzerte verändern sich ja die Konstellationen. Mit Konstellationen meine ich, dass mal der eine ein Intro bekommt oder sich eine Überleitung von einem zum nächsten Stück ergibt. Dann wird das eingebaut und ausprobiert. Momentan ist es schon eine recht gleichberechtigte Angelegenheit, wenngleich man auch sagen muss, es ist nicht nur Kommunikation, die da passiert, sondern es sind sehr viele festgelegte Strukturen und entsprechend ist der Fahrplan klar.

Wenn Du sagst, es gäbe große Formationen, bei denen Du Dir vorstellen kannst zu spielen, stellt sich die Frage danach, ob Du denn in solchen auch spielst.

M.N.: Ja, natürlich. Es gibt eine Big Band, bei der ich jetzt beteiligt bin. Das ist das Stephan Schulze Large Ensemble und da haben wir im Deutschlandfunk Stücke mit einem chinesischen Mundorgelspieler aufgenommen. Das finde ich ein ganz besonderes Projekt. Man könnte von einer zeitgenössischen Cross-over-Produktion reden. Das hat mich sehr beeindruckt, vor allem die Fülle des Klangkörpers. Ich habe öfter schon bei Big Bands ausgeholfen, aber in diesem Fall war es schon etwas Besonderes. Es gibt auch Aufnahmen mit dem Eos-Kammerorchester, ein Streichensemble, das sich auf Neue Musik spezialisiert hat. Susanne Blumenthal dirigiert und ihr Mann Niels Klein komponiert für das Ensemble, und ich hoffe, dass die Aufnahmen irgendwann veröffentlicht werden.

Wie würdest Du die Musik Deines eigenen Trios charakterisieren? Wo liegen die Wurzeln dafür?

M.N.: Die Wurzeln, hm. Wo soll ich da anfangen? Eigentlich ist es so, dass ich als Sideman in sehr vielen Bands spielen darf. So lerne ich viele Kompositionsarten, viele Spielarten kennen. Irgendwann hat man dann so viel gesammelt, dass man damit etwas anfangen möchte. Dann hat es sich 2010 ergeben, dass ich mit dem Gitarristen Riaz Khabirpour und dem Drummer Oliver Rehmann eine kleine Reihe in Köln begonnen habe, bei der wir die feste Rhythmusgruppe bildeten. Für diese Konzertreihe habe ich dann auch meine eigenen Kompositionen mitgebracht. Ja die Einflüsse? Rock Jazz ist relativ nahe. Es geht aber auch viel um die traditionelle Spielart. Charles Mingus und Charlie Haden waren sicherlich zwei große Einflüsse, die man an einigen Stellen bei mir auch hören kann. Es gibt eine Ballade, die wir aufgenommen und der Platte „Steal Away“ entnommen haben, auf der Hank Jones Klavier und Charlie Haden Bass spielen. Das fand ich so schön und so ausdrucksstark. „Motherless Child“ heißt das Stück.

Wie kam es denn zu dem Namen Koi Trio?

M.N.: Ja, der Koi ist ein sehr schöner Zuchtkarpfen. Koi erklärt aber auch unsere freundschaftliche Dreierkonstellation: Khabirpour, Oli und Ich. Ich war 2010 das erste Mal in Japan. Meine Mutter kommt von dort. Ehrlich gesagt, das Betrachten dieser Fische hat mich immer sehr beruhigt. Es sind faszinierende Tiere, finde ich. Der Name hat auch etwas Fließendes, und das kann ich mit meiner Musik verbinden.

Spielt Deine binationale Herkunft eine Rolle für Deine Musik? Spielen die Musik aus Fernost und auch die dort gepflegten Instrumente eine Rolle?

M.N.: Nein, nicht explizit. Es ist nicht so, dass ich irgendwelche Haiku-Gedichte vertone oder mich mit ostasiatischer Musik auseinandergesetzt hätte. Ich kenne davon ein bisschen was, aber, ehrlich gesagt, es liegt mir fern. Ich bin in Deutschland aufgewachsen und kenne die hiesige Orchestermusik. Ich bin mit Popmusik groß geworden. Es ist eher so, dass mir die japanische Ästhetik sehr gefällt, so wie die Zuchtkarpfen ein Teil davon sind. Zu dieser Ästhetik gehört meine Spielform, da ich mich nicht unglaublich in den Vordergrund spiele, sondern gerne auch Dinge passieren lasse. Wenn man dann vertraute Musiker um sich schart, ist kein Konzert wie das andere. Es gibt die festen Strukturen, die Themen, aber der Improvisationsspielraum wächst mit dem Vertrauen.

Würdest Du denn sagen, dass der Bass im Jazz ein eher vernachlässigtes Instrument ist und es kaum auf den Bass bezogene Kompositionen gibt?Mein Eindruck ist außerdem, dass der Bass sehr im Hintergrund agiert und nur wenn, wie im Falle von Lars Danielsson, der Bassist ein Bandleader ist, dem Bass auch mehr Anteile zufallen.

M.N.: Ja, der Bass ist eigentlich ein Begleitinstrument. Es tut mir leid, das jetzt so zu sagen, aber das ist der Charakter dieses Instruments. Das ist aber auch das Schöne daran. Ich möchte nicht Trompete spielen. Irgendwie sucht man sich auch das Instrument, was dem eigenen Charakter am nächsten kommt. Zu den Bass-Soloeinspielungen: Es gibt viele Soloeinspielungen, so von Mark Dresser. Es gibt in der Neuen Musik einen Mann, der Stefano Scodanibbio heißt, und es ist schon faszinierend, was der auf dem Bass zustande bringt. Ehrlich gesagt, in der Neuen Musik und im Contemporary Jazz gibt es das immer häufiger. Ein guter Kollege von mir, der Robert Landfermann, hat zum Beispiel eine Solo-CD eingespielt.

Bei triosence hast Du ja relativ viele Soloparts gespielt, was ich in anderen Trios bisher weniger erlebt habe. Nur bei den Einspielungen von „Liberetto“ und „Liberetto II“ hat aus meiner Sicht der Bass in einem Ensemble eine überaus tragende Rolle. Wie siehst Du das?

M.N.: Es ist auch eine ästhetische Frage. Man kann den Bass so laut machen, dass er die anderen Instrumente übertönt. Ich habe 2007 oder 2008 Eddie Gomez mit seinem Trio gehört. Das war ein brüllend lauter Bass, so wie man es eigentlich nicht schön finden kann. Gomez ist natürlich ein unglaublicher Charakter, und er darf das auch so bei seinem Trio bestimmen, aber schön war es nach meinem Dafürhalten nicht. Es gibt viele Bassisten, die Musik komponieren, so Paul Chambers. Es wurden Stücke für Bassisten geschrieben, gerade in der Ellington-Ära für Jimmy Blanton. Es gibt also eine Reihe von Stücken, bei denen der Bass eine vordergründige Rolle spielt.

Ich möchte ein Stichwort aus dem Gespräch aufnehmen, das nur einmal fiel: Jazz Rock. In welcher musikalischen Beziehung siehst Du Dich dazu?

M.N.: Es immer so schwer zu sagen, wie man seine eigene Musik charakterisieren soll. Jazz Rock hat für mich auch eine Rolle gespielt. Ich komme vom E-Bass. Eine Platte, die ich unheimlich gerne gehört habe, war „We Want Miles“. Die fand ich, als ich 17/18 war, tierisch. Später dann Jaco Pastorius und Weather Report – das ist auch ein wichtiger Einfluss. Jazz Rock habe ich deshalb gesagt, weil Koi Trio natürlich Jazz verwandte Musik spielt und durch die Gitarre, wie ich schon anfangs gesagt habe, mit entsprechenden Soundveränderungen rockigere Klangbilder herstellen kann. Meine erste Band war auch eine Hardrock-Band, in der ich E-Bass gespielt habe. Das sind meine Roots, die ich in mein Debütalbum einbringen wollte.

Spielst Du denn hin und wieder E-Bass?

M.N.: Doch aber jedenfalls nicht in einer Band. Es gibt dazu zu wenig Anfragen. Ach ja, in einer Big Band habe ich mal zwei Stücke mit E-Bass gespielt.

Was ist der Reiz an Big Band mit klassischem Big-Band-Sound für Dich?

M.N.: Es ist ein Sound. Das Traditionelle gefällt mir genauso gut wie das Moderne. Dass ich das Glück habe, in Köln zu wohnen und es dort Leute gibt, die dafür schreiben, gibt mir die Gelegenheit, in großer Formation zu spielen. Da gibt es zum Beispiel das Cologne Contemporary Jazz Orchestra oder das Subway Jazz Orchestra. Musik hat etwas Verbindendes, und je mehr Musiker zusammenspielen, desto stärker wird das Ensemble. Eine Big Band kann ungeheuerliche Power entwickeln. Gleichzeitig gibt es so viele Möglichkeiten der Kommunikation innerhalb der Gruppen, gerade wenn ich an die Kompositionen von Niels Klein denke. Das finde ich faszinierend.

Wie stark kommunizierst Du bei Konzerten jenseits der Musik mit Deinem Publikum? Bernhard Schüler, mit dem Du bei triosence spielst, ist ja durchaus geneigt, die eine oder andere Geschichte, auch private Geschichte über die eine oder andere Andrea, zu erzählen.

M.N.: Ja, die Musik spricht auf jeden Fall für sich. Wenn ich Ansagen für meine Band mache, dann versuche ich, das schon kurz zu halten. Ich denke, dass Andrea eigentlich niemand etwas angeht. Häufig bekommen wir jedoch bei triosence die Rückmeldung, wie einführend die Geschichten in die Musik waren. Ich glaube Leute, die dafür zugänglich sind, genießen das sehr. Eine Stärke von triosence ist es auch, dass Leute angesprochen werden, die nicht viele Jazzplatten zu Hause haben, sondern zu unseren Konzerten kommen und eine gute Einführung in diese Musik bekommen.

Die Musik von triosence ist ja sehr narrativ. Wer zum Beispiel bei „Summer Rain – Winter Rain“ zuhört, kann das Fallen der Regentropfen wahrnehmen und gleichsam auf der Haut spüren. Oder wenn es um den Ton D geht, der umspielt wird, kann jeder das auch ohne große Jazzkenntnis nachvollziehen. Eure Musik ist also weniger komplex.

M.N.: Das ist aber für den beteiligten Musiker manchmal auch sehr anstrengend. Mein Herz hängt eher an einer anderen Musik. Also an dem, was in Richtung Neue Musik geht, ohne dass es ins Atonale gehen muss. Der Kommunikations- und der Improvisationsanteil sowie der Spirit der Musik – das ist es, was mich eigentlich interessiert. Keith Jarrett hat einen Spirit und dieser ist von großer Bedeutung für triosence, aber der Improvisator Keith Jarrett ist eine komplett andere Welt. Was wir machen, ist Songs zu interpretieren. Tatsächlich ist es so, dass die Melodie im Vordergrund steht und bleibt. Der dissonante Teil könnte für mich, was die Akkordfarben anbelangt, durchaus größer sein.

Legst Du bei Deinen Kompositionen hohen Wert darauf, dass Dein eigenes Instrument eine tragende Rolle spielt?

M.N.: Es ist schon so, dass ich einige Stücke am Bass komponiert habe. So steht dann auch eine bestimmte Linie mehr im Vordergrund. Hauptsächlich geht es mir um Abwechslung und Kontraste. Die kann ich hervorrufen, indem ich aus der Bassistensicht ganz busy spiele oder viel Raum lasse. Die beiden Möglichkeiten versuche ich, in die Kompositionen einzubauen.

Eine Frage, die sich auf den Bassisten Niels-Henning Ørsted Pedersen bezieht. Aus meiner Sicht hat er den Bass auch verlassen, weil er über den Steg hinaus auch Töne angezupft hat. Ist das eine Marotte?

M.N.: Überhaupt nicht. Wie soll ich sagen, wenn es einen großen Melodiker am Bass gibt, dann zählt er gewiss dazu. Das ist hoch virtuos. Das Lustige ist, dass er mit 18 auch schon so gespielt hat. Er konnte unheimlich tolle Solos spielen. Es gab sicherlich auch vor ihm Bassisten, die das Instrument derart beherrschten. Scott LaFaro aus dem Bill Evans Trio hat den Bass sicherlich auch nach vorne gebracht.

Es gibt den franko-katalanischen Bassisten Renaud Garcia-Fons, der seinen Bass so moduliert, dass er nach arabischer Laute klingt. Ist das etwas, was Dir naheliegt oder denkst Du, dass ein Bass wie ein Bass klingen muss?

M.N.: Ich meine, Garcia-Fons benutzt auch Loops und andere Effekte, aber er kann es auch. Er ist momentan der Virtuose am Bass. Er spielt auch eine hohe C-Saite, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Ich habe ihn mehrfach in Konzerten gehört, und es ist absolut beeindruckend. Er hat diese Art des Bassspiels für sich entwickelt. Ich kann nur bewundernd sagen: „Wahnsinn, wie er das hinbekommt.“ Er kommt ja aus einer klassischen Tradition mit Kompositionen, in denen das Flageolett eine wesentliche Komponente darstellt. Wenn ich mich nicht irre, war Garcia-Fons auch Schüler von François Rabbath und hat dessen Formensprache weiterentwickelt.

Ich danke für das Gespräch.

© Interview und Fotos. Ferdinand dupuis-panther

Informationen

Matthias Akeo Nowak
http://www.koi-trio.de/

Im Text erwähnt / mentioned Musicians

EOS Kammerorchester
http://eos-cologne.de/

Niels Klein
http://www.niels-klein.com/

Mark Dresser
http://www.mark-dresser.com/

Robert Landfermann

Eddie Gomez
http://eddiegomez.com/

Renaud Garcia-Fons
http://www.renaudgarciafons.com


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