Mathias Polligkeit : Im Gespräch mit dem Bassisten von Torque Trio

Das Torque Trio besteht aus dem Pianisten Koen Schalkwijk, dem zurzeit in Köln lebenden Kontrabassisten Mathias Polligkeit und dem Schlagzeuger Antoine Duijkers. Bereits ihr erstes Album war ein Erfolg, der auch beim neusten Album 'Osmosis' nicht lange auf sich warten ließ. Die meisten Kompositionen dieser Einspielungen stammen von dem aus Arnheim stammenden Pianisten Koen Schalkwijk. Auffallend ist das akzentuierte, stark rhythmisierte Klavierspiel von Schalkwijk, das mich hier und da an das der Berliner Pianistin Maria Baptist erinnert, ob nun „A New Day“ oder „Stories To Be Told“besungen“ werden. Im Vorfeld der Emsdettener Jazztage hatte ich Gelegenheit, mit dem Bassisten Mathias Polligkeit über das Trio und die Musik dieses deutsch-niederländischen Dreigestirns zu reden.

Zunächst mal zum Namen des Trios: Der englische Begriff Torque bedeutet im Deutschen Drehmoment, Durchzugskraft und Drehkraft. Woher kam die Idee für den Bandnamen und was bedeutet für Sie der Begriff 'Torque' eigentlich?

M.P.: Zunächst ist ja wichtig, dass so ein Name gut klingt und gut auf dem Papier aussieht. Dann stimmt das schon mit der Übersetzung zu „Drehkraft“. Man könnte es so deuten, dass es um die Kraft geht, die in der Trio-Konstellation von Musiker zu Musiker überspringt.

Ist das Ihre erste Formation oder gab es und gibt es noch andere Formationen, in denen Sie Jazz spielen?

M.P.: Wir haben uns ja im Studium in Arnheim kennengelernt. Es gab damals sehr viele Formationen, an denen wir jeweils beteiligt waren. Wir haben gemeinsam schon ab dem ersten Studienjahr Jazz gemacht, zunächst aber mit anderen Besetzungen, sprich wir waren die Rhythmusgruppe. Irgendwann haben wir dann beschlossen, das als Trio fortzuführen. Wir spielen natürlich alle auch noch in weiteren Besetzungen. Klar.

Spielen Sie selbst in größeren Formationen? Oder ist das Trio schon für Sie eine ideale Besetzung?

M.P.: Das Trio ist für mich eigentlich ideal. Je größer die Besetzung ist, desto weniger Freiheiten haben die einzelnen Musiker. In der Big Band zum Beispiel ist ja schon sehr viel ausgeschrieben und dann hat man wenig Raum für Improvisation. Im Trio kann eigentlich alles offenbleiben. Man hat noch zwei andere Musiker. Das bedeutet, dass man sich auch zurücknehmen kann. Dann legt sich der Fokus auf diese beiden. Das Trio droht also nie zusammenzubrechen, aber man hat trotzdem eine sehr große Freiheit.

Was war eigentlich der Anlass für Sie, Jazz zu spielen? Warum sind Sie in die Niederlande zum Studium gegangen und nicht nach Essen?

M.P.: Die Studienplatzwahl hängt ja nicht nur davon ab, wo man studieren will, sondern auch davon, wo man angenommen wird. In Deutschland sind die Studienplätze immer sehr begrenzt. Selbst wenn man gut genug wäre, kann es sein, dass für das jeweilige Instrument nur ein Studierender für das betreffende Jahr angenommen wird. Es gibt keine speziellen Gründe dafür, dass ich an die Hochschule in Arnheim gegangen bin. Der Grund für Jazz – das ist schwer zu sagen. Ich bin irgendwie da hineingerutscht.

Es gab also kein Moment, zu dem Sie während ihrer Kindheit und später intensiver mit Jazz in Berührung gekommen sind?

M.P.: Einen springenden Punkt gab es wirklich nicht. Man entwickelt sich ja weiter, wenn man selbst Musik spielt. Irgendwann reicht dann die Rockmusik nicht mehr, um sich auszulassen. Jazz ist eine wesentlich komplexere Musik. In ihr kann man sich wesentlich weiter entwickeln.

Sie spielen Kontrabass oder E-Bass?

M.P.: Beides. Im Jazz vor allem Kontrabass.

Worin liegen denn die Stärken des Kontrabasses gegenüber dem E-Bass, wenn es um Jazz geht?

M.P.: Unterschiede existieren im klanglichen Bereich. Es ist auch abhängig davon, welche Art von Jazz man spielt. Traditioneller Jazz mit E-Bass funktioniert schon mal gar nicht. Dazu braucht man den Kontrabass. Es sind zwei verschiedene Instrumente, und man hat auf den beiden Instrumenten verschiedene musikalische Gestaltungsmöglichkeiten.

Ist der E-Bass also eher für Fusion und für andere Jazzrichtungen der Kontrabass geeignet?

M.P.: So würde ich das nicht formulieren. Es gibt natürlich Stile, für die sich der E-Bass besser eignet, und viele, für die der Kontrabass geeigneter wäre. Ich würde nicht sagen, dass der E-Bass unbedingt zur Fusion-Musik gehört. Es gibt auch Fusion mit Kontrabass. Es kommt auf den Sound an, den man haben will. Wenn man mehr Funk basierte Rhythmen spielen will, ist der E-Bass besser. Schnelle 16tel basierte Linien im Sinne von Jaco Pastorius funktionieren auf dem Kontrabass nicht so gut. Andererseits funktionieren eben Stile, die Bebop basiert sind, auf dem Kontrabass besser. Fusion basiert durchaus auf Rockmusik. Wenn Fusion also sehr Rock orientierter umgesetzt wird, dann müssen die eingesetzten Instrumente auch lauter sein. Dann eignet sich der E-Bass wieder besser.

Für die CD 'Osmosis' haben Sie sich in einer Industriebrache fotografieren lassen. Zufall oder Absicht?

M.P.: Das war die Idee des Fotografen. Die Fotos wurden in Köln aufgenommen, in den Clouthwerken, die einst Reifen produziert haben. Da standen halt noch einige Hallen, die mittlerweile auch abgerissen wurden. Es ging in erster Linie um die Optik. Die Hallen, die boten halt einiges für die Fotografie.

Sie spielen in einer klassischen Jazztrio-Besetzung. Dabei kommen auch Glassharp und Singing Bowl (Klangschale) zum Einsatz. Das erinnert mich an Minimal Music.

M.P.: Glassharp ist nichts Weiteres als mit Wasser gefüllte, gestimmte Gläser und Singing Bowl ist eine Klangschale, die man mit einem rauen Holzklöppel bespielt, indem man ihn am Rand der Schale entlanggleiten lässt. So kann man einen langen Ton erzeugen. Die Klangschale hat in unserer Musik gar nicht so eine große Rolle. Sie tritt nur bei einer Studioaufnahme auf, bei der wir auf einem Ton der Klangschale improvisieren. Die Gläser setzt Antoine schon längere Zeit in unterschiedlichen Formationen ein. Was Sie zu Minimal Music gesagt haben, das stimmt schon. Es sind derartige Einflüsse bei uns vorhanden. Gerade Antoine hat sich sehr mit dieser Art der Musik beschäftigt.

Wie würden Sie denn die Musik des Trios kennzeichnen?

M.P.: Sie kennen doch den nachfolgenden Vergleich: Über Musik reden, ist so, wie über Architektur tanzen. Ich denke, man ist zu sehr im kreativen Prozess eingebunden und hat nicht genug Abstand, um über die eigene Musik zu sprechen. Man kann etwas darüber sagen, was man sich bei der Musik gedacht hat. Die Charakterisierung kann man besser den Journalisten überlassen.

Jazz gilt gemeinhin als verkopft? Teilen Sie dieses Urteil?

M.P.: Das Problem besteht darin, dass der Jazz nicht so einen großen Raum in den Medien einnimmt. Es gibt Tausende von Stilen und Tausende von Richtungen. Zu sagen, ich mag gar keinen Jazz, wäre vergleichbar mit der Aussage, ich mag gar keine Popmusik, einschließlich Funk, Rock oder Soul. Es gibt natürlich verkopfte Jazzmusik, die sich dem Publikum auch versperrt. Da gehören wir nicht dazu. Es gibt eben Jazzmusik, die verständlicher für das durchschnittliche Ohr ist. Das Publikum kommt häufig nicht in Kontakt mit den verschiedenen Jazzstilen und beschäftigt sich damit nicht, kennt die Musik also nicht. Meine Erfahrung ist, dass, wenn ich irgendwo spiele, schon Leute im Publikum sitzen, die nie Jazz hören. Die sagen dann nach dem Konzert, dass sie gar nicht wussten, dass es auch Jazz ist, was sie gerade gehört haben.

Wo sehen Sie die Wurzeln Ihrer Musik, eher in der afroamerikanischen Jazzmusik oder eher in der europäischen Klassik und Gegenwartsmusik?

M.P.: Da kommen von überall Einflüsse her. Im Jazz hat man immer ein Fundament im klassischen, traditionellen Jazz. Jazz ist eben eine sehr anpassungsfähige Musik. Minimal Music ist bei uns ein Einfluss. Klassische Musik wie die von Debussy oder Bartok hat auf unsere Musik auch einen Einfluss. Ich beschäftige mich momentan mit Musik aus dem 20. Jahrhundert, so von Webern und Schönberg. Davon hört man in unserer Musik bisher nicht so viel. Antoine hat sich mit afrikanischen Rhythmen beschäftigt. Er war zwei Monate in Ghana, um seine Kenntnisse entsprechend zu erweitern. Davon wird man dann im Weiteren bei uns auch mehr hören.

Sie nennen Ihr aktuelles CD-Projekt „Osmosis“? Ist der Titel Programm? Geht es um Durchlässigkeit wie in der Osmose?geht es um Austausch von musikalischen Partikeln?

M.P.: Das ist wohl eher eine Interpretation, die im Nachhinein entsteht. Das Album ist nach einem Stück auf dem Album benannt. Das Stück hat Koen geschrieben. Ich weiß nicht, was er sich bei dem Titel gedacht hat. Es ist nicht so bei Musikern, dass man, wenn man ein Stück schreibt, dann ein konkretes Konzept im Sinn hat. Man beschäftigt sich mehr mit den Klängen und findet Melodien und Klangfelder, die man weiter verarbeitet. Im Nachhinein muss man schauen, wie man das Stück dann nennt.

Woher nehmen Sie die Impulse und Kompositionsideen für Ihre Musik?

M.P.: Für mich entsteht die Musik aus der Improvisation. Ich sitze am Instrument, am Klavier, und entdecke Strukturen. Oder ich habe eine Idee und will etwas ausprobieren. Es geht dann mehr in Richtung serieller Musik. Oder ich befasse mich mit harmonischen Strukturen und überlege, was ich aus ihnen machen kann.

Ist Ihre Musik durchgehend notiert und arrangiert? Wie viel Luft existiert zum freien Spiel und wie wird das unter Ihnen abgestimmt?

M.P.: Die meisten Stücke von uns sind schon ausgeschrieben. Es gibt ein Thema. Das wird gespielt, dann folgen die Solos, die auf Harmonien des Themas basieren, wie das im Jazz üblich ist. Am Ende geht man dann meistens ins Thema nochmals zurück. Manchmal gibt es auch Zwischenteile. Ganz frei spielen wir sehr selten. „Singing Bowl“ ist so ein Stück, bei dem wir nichts verabredet haben. Es gibt aber auch verschiedene Grade von Freiheiten, die man sich in den Improvisationen nimmt. Manche Stücke spielen wir schon länger, und diese müssen wir für uns auch frisch halten. So weicht dann das jeweilige Spiel schon davon ab, wie es ursprünglich notiert wurde.

Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Interview und Fotos © ferdinand dupuis-panther

Informationen

Torque Trio

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Hörproben

http://torquetrio.com/music/


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