Manne Schlaier und Thomas Hirt Im Gespräch mit dem Ulmer Gitarristen Manne Schlaier und dem schwäbelnden Saxofonisten, Flötisten und Klarinettisten Thomas Hirt

Ein Duo ist gewiss im Jazz außergewöhnlich, zumal wenn es sich um ein Gespann mit den oben genannten Instrumenten handelt. Gerade die etwas träge anmutende, dumpf klingende Bassklarinette hört man im Jazz heute eher selten. Gitarristen im Jazz sind jedoch keine Mangelware, denkt man an Pat Metheny, Bill Frisell, Atilla Zoller, Jim Hall, Barney Kessel oder Philip Catherine. Doch Manne Schlaier spielt nicht irgendeine Gitarre, sondern eine Paradis-Gitarre, die der leider 2014 früh verstorbene Schweizer Gitarrenbauer Rolf Spuler entwickelt hatte. Was es damit auf sich hat, verrät uns Schlaier im nachfolgenden Gespräch. Vielfach wird die Musik, die das Ulmer Duo vorträgt, als kammermusikalischer Jazz kategorisiert, aber dem würde Thomas Hirt vehement widersprechen: Man mache eben Musik à la Schlaier-Hirt, und das sei seit 28 Jahren eine Herzensangelegenheit! Ich hatte die Gelegenheit das einmalige Duo im Rahmen der Reihe „Jazz live“ im Dachtheater Warendorf zu hören, ein bemerkenswerter Auftritt, der mit einer „Ouvertüre“ begann. Also doch Kammermusik gemischt mit Jazz?

In Abwandlung einer Titelzeile die Frage "Is there a thing called Jazz"? Und was bedeutet Jazz für Sie?

M. S.: Wir würden uns selber gar nicht als Jazzer bezeichnen. Der Begriff Jazz hat für uns eigentlich keine Bedeutung. Unsere Kompositionen sind eher Stil übergreifend und vor allem spiegeln sie unsere Sozialisation wider.

Gibt es denn ein Etikett, das Sie Ihrer Musik geben könnten?

M. S.: Früher, bis zur dritten CD, haben wir gedacht, dass man unsere Musik, wenn man sie denn einordnen möchte, als kammermusikalischen Jazz bezeichnen könnte. Das ist uns aber eigentlich auch zu schwammig. Es ist die Musik Schlaier-Hirt. Es sind wir zwei und wir machen diese Musik.

Können Sie mal den Moment beschreiben, bei dem es bei Ihnen klick gemacht hat und sie entschieden haben, fortan die Musik zu spielen, die Sie nun spielen.

M. S.: Das war schon recht früh, als wir anfingen, gemeinsam Musik zu machen. Schlaier-Hirt gibt es ja schon 28 Jahre. Vorher haben wir auch schon Musik gemacht und Standards gespielt. Wir haben schnell gemerkt, dass wir im Gegensatz zum Zusammenspiel mit anderen nicht viel reden müssen, wenn wir spielen. Es war Kongenialität vom ersten Moment an. Wir mussten nicht verbal erklären, welche Musik wir machen wollten und wollen. Es gibt zwischen uns keine Differenzen oder Reibereien, sondern wir ergänzen uns sehr gut. Klick hat es gemacht beim Spielen.

Wie entsteht Ihre Musik? Ist es ein Produkt von jedem von Ihnen? Stellen Sie die Idee dem anderen vor und dann arbeiten Sie gemeinsam an der Komposition? Oder schreiben Sie gemeinsam Kompositionen?

Sowohl als auch. (Die gemeinsame Antwort von Hirt und Schlaier!) Dann wieder O-Ton Manne Schlaier im Folgenden: Die Idee kommt bei der Probe und bei dieser wird das Stück auch fertig. Wir filtern da nicht viel, wir schreiben es dann auf, wie es halt rauskommt. Bei anderen Stücken kann es sein, dass Thomas es aufschreibt und wir es dann in der Probe durcharbeiten. Die Ideen kommen und gehen. Es ist interessanterweise auch so, wenn Thomas ein Stück schreibt, dann muss ich nicht lange überlegen, was ich dazu spiele. Es sprudelt dann einfach aus uns heraus. Die Idee, die als Erste vorhanden ist, die ist es dann mehr oder weniger. Schließlich: Die Kompositionen entstehen aus einer direkten Idee.

Sie haben ja bei dem Liveauftritt, den ich erlebt habe, Hinweise darauf gegeben, aus welchem Anlass oder aus welcher Begebenheit heraus Titel entstehen. Können Sie dazu noch einige Worte mehr verlieren? Ich erinnere mich an den Titel „Bumpy“, der im Zusammenhang mit einem unruhigen Flug und einer ebenso ruppigen Landung steht. Ist das nun immer so, dass Sie eine konkrete Erfahrung oder ein konkretes Erlebnis musikalisch umsetzen?

M.S.: Es ist eher umgekehrt. Die Musik ist eher da als der Titel. Die Geschichten, die ich zu den Stücken erzähle, dienen dazu, dass der Zuhörer leichter in das Stück hineinfindet. Man kann dem Zuhörer einen kleinen Hinweis geben: Das könnte so sein. Wir finden aus unserer gemeinsamen Zeit als Musiker immer etwas, was dazu passen könnte.

Ein Trio, ein Quintett oder ein Quartett sind die eher gängigen Formationen im Jazz. Doch Sie spielen im Duo. Zu hören sind Gitarren und Saxofone sowie Bassklarinette. Das ist doch außergewöhnlich, oder?

T.H.: Jetzt muss ich auch mal was sagen. Wir sind eigentlich das einzige mir bekannte Duo, das in dieser Zusammensetzung der Instrumentierung spielt und vor allem, wie wir die Musik spielen. Das gibt es weltweit einfach nicht, das muss ich mal so sagen. Na, wir haben uns vor Jahrzehnten vor einer Kneipe getroffen, als ich mit jemand im Gespräch über Musik war. Manne hat mich damals gefragt, ob ich mir vorstellen kann, dass wir mal etwas zusammen machen können. Das war die Initialzündung zu diesem Duo. Es war halt Schicksal, dass wir zusammengekommen sind, und es hat solange gehalten. Es wird auch nicht auseinandergehen, denn das ist unsere Lebensaufgabe, dieses Duo.

Heißt das, Sie spielen nicht in anderen Bands, sei es als Sideman oder Gäste?

M.S.: Doch, aber das Hauptaugenmerk gilt Schlaier-Hirt. Sideman? Das macht schon Spaß, aber der Hauptgrund ist finanzieller Art.

T. H.: Sideman ist man eigentlich, wenn man Geld verdienen muss. Unser Duo ist auch zum Geldverdienen. Na klar, wir spielen ja nicht umsonst. Aber Manne sagt es, Schlaier-Hirt das ist Herzblut.

M.S.: Beim Duo kann man sich nicht verstecken. Das ist die intensivste Art Musik zu machen. Da ist die Interaktion direkt, ja authentisch. Ein Duo ist eine Herausforderung.

T. H.: Das ist die schwierigste Zusammensetzung ohne Rhythmus und technischen Schnickschnack. Du musst dich vollkommen auf deinen Partner verlassen können. Sobald einer ausfällt im Duo – das ist in der Klassik oder im Jazz genauso -, dann fällt es auseinander. Unsere Art die Kompositionen zu spielen, kann man eigentlich mit niemandem anderen machen. Wenn ich als Sideman oder im Studio spiele, da kann man etwas wiederholen … und … und. Da ist man austauschbar. Wir sind definitiv nicht austauschbar. So wie wir spielen, das kann kein anderer. Das ist einfach so.

M.S.: Es fällt mir gerade ein. John Mills, der Hochschullehrer im Department of Jazz Studies an der University of Texas war und uns in Montreux gehört hatte, meinte im Gespräch, er habe gar nicht verstanden, was wir spielen und wie wir spielen. Aber was er verstand hat, war die Tatsache, dass wir eine Duo-Identität haben.

Ist Ihre Musik durchgehend notiert und arrangiert? Anders: Wie viel Raum bleibt für Improvisation?

T.H.: Sagen wir mal so: 90% der Musik sind notiert und arrangiert. Der Rest ist Improvisation. Es gibt also einen sehr großen Anteil an notierter Musik. Dazwischen gibt es aber auch immer wieder improvisierte Teile. Aber Vieles, was man im Konzert hört, ist tatsächlich notiert.

M.S.: Dabei wird das notierter nicht jedes Mal gleich gespielt.

T.H.: Das ist ja auch eine Eigenart, dass, wenn man seine eigene Komposition spielt, sie nicht hundertprozentig so reproduziert, wie es auf dem Blatt zu stehen hat. Wenn ich zum Beispiel bei einer Melodie eine rhythmische Variation mache, die ich notiert hat, das hört der Manne und kann – das ist das Kongeniale – sofort reagieren. Wir können uns einfach blindlings folgen.

M.S.: Wir verlassen auch hin und wieder die Form, wenn wir keine Lust haben, das nächste Stück zu spielen. Das hört aber der andere und dann spielen wir frei, kommen aber auf die ursprüngliche Form wieder zurück. In den Noten steckt ja mehr als die Tonhöhe. Das steckt ja alles Mögliches drin.

Sehen Sie Ihre Wurzeln im amerikanischen oder europäischen Jazz? Und in welcher Weise? Ich höre, das will ich sagen, bei Ihrer CD „behind the scenes“ sehr viel Klassik, beginnend mit dem ersten Stück „Ouvertüre“, das an Suiten bzw. Symphonien denken lässt.

T.H.: Nee, das ist völlig o.k. Bevor ich improvisierte Musik gemacht habe, habe ich andere Musik gespielt. Ich bin Klarinettist und Flötist und komme von der Klassik. Meinerseits bin ich mehr von der Klassik inspiriert als vom Jazz. Bei Manne ist das anders. Er kommt eher von Zappa. Unsere Musik aber, das hört sich vielleicht arrogant an, die sprudelt aus dem Schlaier und aus dem Hirt heraus. Wenn ich komponiere, dann denke ich nicht an Mozart oder Stockhausen oder an wen auch immer, sondern das kommt aus meinem Inneren. Ich möchte daher meine Musik auch gar nicht zuordnen. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist.

M.S.: Es ist europäischer als amerikanisch. Im Jazz vor allem, da ist es ja so „a, a, b“ oder … oder ..., dann kommen 12 Takte Thema, dann Improvisation, dann wieder Thema und die nächste Improvisation und dann zurück zum Thema. So ist es bei uns, wenn auch amerikanische Jazzeinflüsse durchaus da sind.

Sie spielen laut CD Paradis Guitars? Worum handelt es sich dabei? Könnten Sie in Worten den besonderen Klang Ihrer Gitarren beschreiben?

M.S.: Die Gitarre heißt Paradis und nicht Paradies! Die Gitarren wurden von einem Schweizer Gitarrenbauer entwickelt und gebaut. Paradis, das war das Gebiet, wo dieser Gitarrenbauer gewohnt hat. Die Gitarre unterscheidet sich von anderen Gitarren dadurch, dass die tiefen E- und A-Seiten lassen sich analog-elektronisch oktavieren. Da werden die Subfrequenzen, die vorhanden sind, analog verstärkt und zum Originalton dazugemischt. Deswegen gibt es dann einen tiefen, warmen Klang.

T.H.: Manne hat einfach eine orchestrale Spielweise. Es gibt, das muss ich auch mal sagen, keinen zweiten Gitarristen, der so spielt. Da kommt ihm das Klangspektrum der Paradis-Gitarre absolut entgegen und uns auch. So können wir zu zweit eigentlich ein Riesenorchester auf die Bühne bringen.

Sie, Herr Hirt, spielen u.a. Bassklarinette und Altflöte, auch damit zwei Instrumente, die man im Jazz, aber auch in einem klassischen Orchester suchen muss. Wie kam es dazu, dass Sie diese Instrumente in das Duo integriert haben?

T.H.: Die Bassklarinette ist die Königin der Klarinetten. Es macht total Spaß, sie zu spielen. Vom Typ her bin ich jemand, der eher Bass- und Tenorlagen bevorzugt. Ich spiele auch Konzertflöte und Konzertklarinette, aber die sind mir zu hoch. Die für mich gebaute Bassklarinette kommt meinem Klangideal zupass. Mir ist die Piccoloflöte und die C-Klarinette zu quackig. Bei der Altflöte ist der Klang auch mehr zur Tenorlage hin. So wird auch in unserem Duo ein ganz besonderer Höreindruck erzeigt.

Worin liegt die Zukunft Ihres Duos?

T.H.: The same procedure as every year. Wir arbeiten wie vor 28 Jahren jeden Tag kontinuierlich an den Kompositionen. Es gibt keine Visionen. Wir arbeiten, und es sprudelt, wie schon gesagt, aus uns heraus.

M.S.: Es ist eine Lebensaufgabe, bis einer umfällt und dann ist es vorüber. Schlaier/Hirt funktioniert nur mit Schlaier und Hirt.

Ein gutes Schlusswort, finde ich und danke den beiden Musikern für ihre Geduld beim Interview. Für die Niederschrift des Interviews habe ich mir erlaubt, das Schwäbisch von Thomas Hirt ins Hochdeutsch zu übertragen. Er möge es mir nachsehen.

Interview und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

Informationen

Manne Schlaier-Thomas Hirt-Duo
http://www.schlaier-hirt.de/

Hörproben
http://www.schlaier-hirt.de/audio/

Video
http://www.schlaier-hirt.de/video/

Letzte CD
Schlaier-Hirt: Behind the scenes, CDBaby.Com/Indys, Release 13.12.2011

Jazz live in Warendorf
http://www.jazz-in-warendorf.de


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