Christoph Grab: Im Gespräch mit … dem in Zürich beheimateten Hochschullehrer und Saxofonisten

Der Ulmer Spatz ist bekannt, in Schokolade, aber auch als bunte Stadtskulptur. Auch bekannt ist das Ulmer Münster, allein schon wegen des hoch in den Himmel ragenden Turms. Doch wer weiß eigentlich, dass die Stadt an der Donau, von einem dichten Festungsring umgeben ist und in einem der Festungswerke der Jazzclub Sauschdall existiert? Kaum einer - und das soll sich ändern, zumal im Sauschdall dank freiwilliger Mitarbeiter seit fünf Jahrzehnten Jazz vom Feinsten zu hören ist. Genutzt wird für das Jazzen der Gewölbekeller der sogenannten Courtine zum Unteren Gaisenberg. Das alles folgt dem Motto: kommerzfrei und ehrenamtlich(!). Wer war hier nicht schon alles zu Gast, ob die Organistin Barbara Dennerlein oder der Bassist Eberhard Weber, als er noch nicht durch einen Schlaganfall zum Nichtspielen verurteilt war, der Saxofonist Charly Mariano und der Free-Jazzer Alexander von Schlippenbach, klangvolle Namen der Jazzwelt. Aber es gelingt auch immer wieder mit Erfolg, dem Publikum frische aktuelle Jazzmusik zu präsentieren.

Im Jazzclub Sauschdall, der im Werk XX an der Prittwitzstraße zu finden ist, traf ich bei der Release der CD "Raw Vision" den Schweizer Saxofonisten Christoph Grab, der in Ulm mit Maxime Paratte (Schlagzeug), Frank Möbius (Gitarre), Thomas Luescher (Akkordeon) und Silvan Jeger (Bass) auftrat. Grab, der an der Swiss Jazz School seine musikalische Ausbildung erhielt, hatte unter seinen Lehrern und Mentoren so bekannte Musiker wie David Liebman und Joe Lovano. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir von der neusten CD „Raw Vision“ der Titel „Klick Dich selbst“. Hier nimmt Grab eine Piratenpolitikerin aufs Korn, die unablässig die Aufhebung des Urheberrechts fordert. Als sie dann selbst publizierte, und diese Publikation von Dritten dann kostenfrei online gestellt wurde, prozessierte die besagte Dame wegen der Verletzung des Urheberrechts – ein Fall von doppeltem Standard! Christoph Grab war ein wenig überrascht, als er den Mitschnitt realisierte und meinte, er müsse nun gestochenes Hochdeutsch reden. Doch ich beruhigte ihn und bat ihn so zu reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist – aber bitte nicht in Schwyzerdütsch.

Deine neuste Einspielung mit einem Septett trägt den Titel „Raw Vision“ - und das mit Absicht, wie ich im Gespräch erfahren konnte. Meine Frage: Welche Visionen hast du, wenn du deinen aktuellen Jazz spielst?

Der Name …, hm. Also ich habe das Rohe im Jazz sehr gerne, eigentlich das Ungeschliffene, also das, was ein Ornette Coleman oder ein Mingus einst gemacht hat. Das meine ich mit roh. Und die „Vision“ bezieht sich darauf, dass ich Neues probieren möchte, dass ich auf der Suche nach neuen Klangfarben bin und mich und die Band mit frischen Kompositionen herausfordern möchte, die dann auch Wege zu neuen Improvisationen öffnen.

Du spielst mit einem Akkordeonspieler gemeinsam. Das Akkordeon ist ein eher seltenes Instrument im Gegenwartsjazz und nicht unbedingt als Instrument im Jazz verwurzelt, oder?

Ja, das ist so und das ist schade. Ich finde, dass dieses Instrument eine wunderbare Klangfarbe hat, und ich versuche, diese bei meiner Musik gar nicht folkloristisch einzusetzen. Das Akkordeon ist ja im Kern ein Instrument der Volksmusik, aber ich finde, dass das Akkordeon meinem Jazz eine schöne Farbe beimischt. Ja, das ist sehr ungewöhnlich. Gespielt wird es von einem Pianisten, mit dem ich viel gejammt habe. Plötzlich sagte er zu mir, Du, ich habe zwölf Jahre lang Akkordeon gespielt. Und das in einem Nebensatz! Da war mir klar, Thomas Luescher muss mit seiner „Quetschkommode“ in meine Band.

Für was steht das Akkordeon in deinen Kompositionen? Welche Farbe, welche Nuance und welche Stimmung sollen mit dem Akkordeon eingefangen und zum Ausdruck gebracht werden?

Der Klang hat ein bisschen etwas Sehnsüchtiges. Na ja, es gibt halt den Bezug zum Tango. Ich möchte aber keine Tangoweisen herausstellen, aber das Sehnsüchtige schon aufnehmen.

Das Schlagzeug hat in deiner Musik nicht den sonst gewohnten dominanten rhythmischen Platz, sondern kommt im übertragenen Sinn eher weich und tänzerisch daher – so wie beim Spiel von Marilyn Mazur. Ich höre ein eher zurückgenommenes Schlagwerk. Und wie betrachtest du das?

Ja, es kann mit dem Mix bei diesem Release-Konzert zusammenhängen, denn er ist eigentlich kein leiser Schlagzeuger. Er kann in seinem Spiel heftig Gas geben, aber auch zurückgehen. Ich habe sehr viele rhythmische Elemente in meiner Musik jenseits des typischen Jazzfundaments bzw. Jazz-Rock-Fundaments. Daher ist das Spiel doch eher untypisch, würde ich sagen.

Wie lange spielt Ihr schon zusammen und wie habt Ihr Euch gefunden?

Die Band in der Besetzung gibt es zwei Jahre. Mit dem Bassisten und Schlagzeuger spiele ich schon lange zusammen. Dann kam der Gitarrist Frank, ein Berliner, dazu. Schließlich stießen noch der Akkordeonspieler und der Tubist zur Band.

Ist nicht auch Tuba ein eher ungewöhnliches Blasinstrument einer Jazzband? Hat man nicht eher klassische Blasinstrumente wie Posaune, Trompete und verschiedene Saxofone in der Jazzmusik? Kommt die Tuba nicht auch eher in der Humpda-Humpda-Volksmusik zum Tragen?

Ich suche die ungewöhnlichen Klänge, und das ist es eigentlich. Tuba ist, so finde ich, ein ganz tolles Instrument. Es ist im Übrigen ein Posaunist, der die Tuba in meiner Band spielt! Die Idee, Tuba und Akkordeon zu integrieren, kam bei meinem Artist-in-Residence-Projekt in Zürich zustande. Ja, die Tuba ist bei mir nicht eine klangvolle Tuba, sondern eher die „erdige Tuba“, die für einen eigenständigen Rhythmussound sorgt.

Interview und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

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