Mit Ben Bönniger sprach ich vor einem der vom ihm kuratierten Konzerte der Reihe JazzLuck im Museum für Lackkunst. Zweimal im Jahr, im Herbst und im Frühjahr, finden in den Sonderausstellungsräumen des Museums Jazzkonzerte statt, zu denen sich Ben Bönniger Gäste einlädt, mit denen er dann einen Abend lang spielt. Was zu hören ist, sind also stets Premieren, vor allem bezüglich der Jazzbands, die zu hören sind.
Was ist die Grundidee von JazzLuck und welche Intentionen verbindest du mit dieser Reihe?
BB: Ich habe mit einem Gitarrentrio, mit dem ich als Schlagzeuger gespielt habe, schon über einen Zeitraum von sechs Jahren ein wöchentliches Event gestaltet, als Veranstalter, Schlagzeuger und Musiker. Das war wirklich so, dass jede Woche Gäste eingeladen wurden, und wir spielten mit dem Trio in einem festen Laden in der Stadt. Das war eine Kultveranstaltung. Man konnte Gäste einladen, Leute, die auf Tour waren, lokale und von weiter her. Das haben wir sechs Jahre lang gemacht, bis auf die Sommerferien jede Woche. Dann habe ich immer wieder Angebote bekommen, solche oder ähnliche Reihen zu gestalten. Ich habe auch mal in einem Restaurant-Club über zweieinhalb Jahre lang ein wöchentliches Konzert organisiert, alleine.
Ich habe mir komplette Bands eingeladen, zum Teil Musiker, die ich vorher überhaupt nicht kannte. Das war sehr inspirierend für mich. Tolle Musik und eine tolle Veranstaltung, die sehr gut besucht war. Danach habe ich eine kleine Pause gehabt. Ich habe außerdem mal in einer Kirche Konzerte veranstaltet, in dieser Form, allerdings mit anderem Inhalt: schon sehr jazzig, aber in einem Kirchenraum. Es war keine Gastronomie direkt angeschlossen. Es gab aber Wein und andere Getränke. Irgendwann las ich beim Frühstück in der Zeitung, dass das Museum für Lackkunst sich öffnen und verschiedene Sachen außer den regelmäßigen Ausstellungen integrieren möchte. So dachte ich, da sollte man doch Jazz machen! Ich habe mich gemeldet und hatte ein sehr nettes Gespräch mit der PR-Dame des Museums. Wir haben ein Testkonzert durchgeführt und damit begann die Reihe: Es sind immer vier Konzerte pro Frühjahr und Herbst. Immer in den Lücken zwischen den Ausstellungen kann man die Räume nutzen. Das Besondere ist, dass ich einen Steinway-Flügel zur Verfügung habe und den Museumsraum, der sehr speziell ist. Ich kann Leute einladen, die von weiter her kommen, und ein sehr unterschiedliches Programm zusammenstellen. Die Idee ist: Ich, der Schlagzeuger, bin der Gastgeber. Ich stelle immer wieder Formationen zusammen, die in dieser Form eben normalerweise nicht auftreten. Im aktuellen Fall spielt der Pianist (Anm.: Gemeint ist Elmar Braß.) zwar in einem Trio, aber nicht in dem, das heute Abend zu hören ist. Der Bassist, der heute auch spielt, ist Teil des Trios, aber dadurch, dass ich dabei bin, ist es schon eine andere Zusammensetzung. Zum Teil sind es auch Set-ups, bei denen niemand vorher zusammengespielt hat. Das sind total spannende Konzerte. Man tauscht vorher Musik aus. Es wird eigentlich nur am Konzerttag eine Stunde geprobt, Chinesisch gegessen und dann Musik gemacht. Das ist so eine Art Werkstattkonzert. Es ist schon sehr konzertant. Manchmal spielen wir auch eigene Stücke, auch kompliziertere, die am Abend aber sehr frisch entstehen. Es ist eben nicht eine total eingespielte Band. Es hat alles Vor- und Nachteile. Ich mache das auch gerne. Ich habe ja ein Trio, mit dem ich fast 30 Jahre zusammenspiele, aber das hier ist natürlich extrem spannend. Es ist für mich Jazz als Kommunikation, wie sie auch sein soll.
Ist die Musik, die zu hören ist, eine, die im Moment und aus dem Moment entsteht?
BB: Doch! In dem Raum mit den drei Leuten und dem Publikum entsteht eine Musik, die für diesen Abend so sein wird. Wir spielen ja auch Stücke von der CD (Anm.: Gemeint ist die des Elmar Braß Trios), aber ich kann dir versichern, die sind anders. Die erkennt man natürlich wieder, wenn man ein bisschen Jazzverstand hat, aber die verlaufen schon anders: andere Soli, ganz andere Energie; das kann man auch nicht beeinflussen. Ich lasse mich auch selbst überraschen. Meistens werde ich sehr positiv überrascht. Ich hatte mal ein Problem mit einer Sängerin. Das war nicht ein so schöner Abend, und es hat wirklich nicht unbedingt Spaß gemacht, aber davon hat das Publikum nichts gemerkt. Es ist also absolut Musik aus dem Moment und für den Moment. Wir (Anm.: Gemeint sind Elmar Braß, Martin Gjanokovski und Ben Bönniger) spielen Standards, teilweise sehr bekannte Sachen. Ich habe sehr viele Stammgäste, die sollen wissen, dass sie nicht platt gemacht werden, aber einen spannenden Abend erleben. Auf der Bühne findet Kommunikation statt. Da entsteht etwas, und es ist keine Show!
Bist du als Schlagzeuger ein wenig die „treibende Kraft“?
BB: Das kommt ganz auf die Musik an. Ich bin schon für die Energie zuständig, für das Timing und das Fließen. So sehe ich auch meine Rolle. Ich biete aber auch sehr perkussive Geschichten an. Da bin ich dann auf einmal Melodiker. Auf Kürbishälften spiele ich dann eher Melodien als einen klassischen Beat. Ich bin schon der Fixpunkt, weil ich die Mitmusiker einlade. Ich schaue, dass es zusammenpasst. Ich spiele mit, lasse aber auch immer Freiräume. Es gibt Konzerte, in denen ich nur in der Hälfte der Zeit mitspiele oder immer mal Platz lasse für ein Solo oder Duo. Bei den Musikern, die ich einlade, bin ich oft auch ein begeisterter Zuhörer, der getragen wird und mitmacht.
Wie würdest du denn das Spektrum des Jazz beschreiben, der in den Konzerten zu hören ist?
BB: Das ist sehr persönlich, weil ich auswähle, was ich gut finde, auch bei den Musikern. Ich bekomme mittlerweile sehr viele Angebote. Viele Musiker kapieren aber nicht, dass das keine normale Location ist. Was ich bisher in den letzten fünf Jahren angeboten habe, reicht von – so würde ich es sagen – elektronischer Musik – es gibt immer Jazzelement, es wird immer improvisiert und es werden keine kompletten Werke aufgeführt – über sehr freie Abende, an denen gar nichts abgesprochen ist, und an Weltmusik angelehnte Abende, ähnlich dem Abend mit Mark Alban Lotz, und „klassischen Jazz“. Ich bin begeisterter Jazzschlagzeuger. Die klassische Jazzmusik – ich mache aber keinen Dixieland Jazz – ist das, was mich antreibt, aber das öffnet sich stets. Wenn mir etwas gefällt, dann frage ich nicht, ob es zu weltmusikartig ist oder nicht. Ich mache das, was ich für adäquat halte. Wir spielen ja in einem Museum!
Wenn du von klassischem Jazz sprichst, was meint das? Straight ahead Jazz im Sinne von Swing über Bebop und Hard Bop zu Modern Jazz?
BB: Genau! Bis zu Free Jazz. Jazz Rock geht nicht in dem Raum, da es zu laut wird. Ich habe auch als Schlagzeuger freie Sachen gemacht und bin dafür offen. Das wäre aber etwas, das ich hier nicht machen würde, weil ich wüsste, dass es zu weit weg vom Publikum ist. Jan Klare und Achim Kaufmann und solche Leute sind ok. Bei einem free blowing Saxofon über eine Stunde nebst Power-Schlagzeug würden die Leute abwandern.
Mark Alban Lotz' Komposition „PVC-Mantra“ war doch aber schon in die Richtung, freier Improvisation oder?
BB: Ja, aber ich finde, da gibt es immer eine Grenze für den Zuhörer. Ich habe selbst mal ein Konzert mit einem Saxofonisten erlebt. Das war eine Stunde lang Power blowing, und ich habe es genossen. Es war sehr aggressiv, und man wurde selbst innerlich aggressiv. Das war gewollt. Das würde ich hier nicht machen, und so spiele ich auch nicht Schlagzeug.
Wie schaut dein eigenes Repertoire denn aus?
BB: Mein Gitarrentrio ist schon ein richtiges 60-er Jahre, Blue Note Trio. Ich habe auch mal eine komplette Solo-CD mit erweitertem Schlagzeug aufgenommen. Das ist schon über 20 Jahre her. Ich habe zudem viel Tanztheater-Sachen gemacht. Da arbeite ich schon sehr frei im Hinblick auf das Instrumentarium; frei nicht im Sinne des Jazzkontextes oder -stils, sondern von den Instrumenten her. Das fließt aber auch in mein straight ahead Jazzspiel ein. Ich habe nicht zwei Anzüge; in dem einen mache ich das und in dem anderen das. Das eine beeinflusst das andere. Wenn ich heute Standards spiele, ist das andere nicht weg.
Was ist der Reiz an Standards und an „back to the roots“?
BB: Ehrlich gesagt, ist „Standards“ nur ein Begriff, der mir anzeigt, dass es so geile Stücke sind, die über Generationen von Musikern und Zuhörern hinweg einfach Kraft haben. Es ist ja nicht so, dass Keith Jarrett die Sachen spielt, weil er findet, dass es amerikanische Tradition ist, sondern weil er diese Songs und Melodien toll findet. Wenn wir „Little B's Poem“ von Bobby Hutcherson spielen, muss man sagen, dass es einfach tolle Musik ist. Egal, wer das spielt und wie es gespielt wird, die Akkorde und die Melodie haben so eine Kraft. Da halte ich im Auto an, höre mir das an und denke nur „Wow“.
Es kommt also nicht auf das Was, sondern auf das Wie an?
BB. Unbedingt. Das fängt schon bei den Instrumenten an. Das Wie ist entscheidend, beim Spielen und Improvisieren, auch bei einem Prince-Stück. Wenn es toll ist, macht man etwas daraus. Ich habe da überhaupt keine Grenzen.
Ich danke fürs Gespräch.
Interview und Fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Museum für Lackkunst Münster
Windthorststraße 26 • 48143 Münster
t. +49 (0)251 /4 18 51 -22
www.museum-fuer-lackkunst.de
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